Ingo Teßmann
Juni 2011
Der 2009 uraufgeführte Film Whatever Works ist Woody Allen's komödiantisches Meisterwerk des Jahrzehnts. Mit einem Drehbuch aus den 1970er Jahren inszeniert er zugleich kurzweilig unterhaltsam und mit viel Hintersinn die wissenschaftlich aufgeklärte Zivilisierung religiös bestimmter Kulturen. Im Zentrum der Beziehungskomödie steht eine junge Schönheitskönigin und Ausreißerin aus dem hinterwäldlerischen Eden in Mississipi, die in New York ihr Glück versuchen will und dabei ausgerechnet an einen betagten Physiker und Nihilisten gerät, dem sie gehörig das Leben durcheinander bringt. Der wie Virgina Woolf zwischen Genie und Wahnsinn schwankende Physiker befindet sich permanent auf der Fahrt ins Herz der Finsternis, wird von Alpträumen heimgesucht und hat am Schluss zwei Selbsttötungsversuche überlebt. Der Pygmalion ist sich wesentlich selbst genug und kann dem Schall und Wahn seiner Umwelt nur wenig abgewinnen. Stets vermag er die ganze Situation wahrzunehmen, von der seine minder bemittelten Artgenossen nur jeweils einen kleinen Ausschnitt zu erfassen vermögen. Aber a young dame with pretty eyes and a smile can make an old man do just about everything. Nach einem Monat des Zusammenlebens kann die junge Schöne das alternde Genie sogar zur Heirat bewegen und wie in Juno und der Pfau ist es die schlicht lebenskluge Frau, die dem depressiv weltfremden Mann einen Ort der Ruhe und Geborgenheit bereitet. The beauty and the brain bleiben immerhin ein gutes Jahr zusammen, bis sie einfach sein Genie nicht mehr ertragen kann. Sie hat eine komprimierte Bildungstortur hinter sich gebracht und in New York Fuß gefasst, während er einmal nicht manisch-depressiv, sondern gänzlich unbeschadet und sogar menschlich bereichert seinen Lebensalltag zu meistern lernte. Solange sie funktionieren, können auch ungewöhnliche Paarungen eine Weile glücklich machen.
Neben weiteren unorthodoxen Paarungen, die Woody Allen mit viel Witz und Humor funktionierend zu inszenieren versteht, sind es vor allem die filmästhetischen Anspielungen, literarischen Bezüge, musikalischen Einlagen, philosophischen Gedanken und physikalischen Gehalte, die mich veranlasst haben, Whatever Works einmal im gesellschaftlichen Kontext mit einigen anderen Filmen und Büchern vergleichend zu diskutieren. Innerhalb des Werkes Woody Allens ist Whatever Works sein 40er in Eigenregie gedrehter Film. Obwohl das Drehbuch aus den 1970er Jahren stammt, ist es nach wie vor aktuell, da sich am grassierenden Religionswahn wenig geändert hat. Nach dem 11. September ist es eher noch schlimmer geworden und die vor 2500 Jahren auf den Weg gebrachte Aufklärung ein noch immer unvollendetes Projekt. Ebenfalls nicht ohne Witz und Humor ist der als Hommage an Woody Allen gedrehte Film A Serious Man der Coen-Brüder zu verstehen. Auch in ihm geht es um einen Physiker, der mit der alltäglichen Lebensbewältigung zu hadern beginnt. Ergänzend zu den beiden Filmen sind in den letzten Jahren zudem zwei lesenswerte Romane erschienen, in denen es um Physiker und ihre Aktivitäten in der Gesellschaft geht: Dirac von Dietmar Dath und Solar von Ian McEwan. Anhand dieser vier Medien in ihrem Kontext wird die physikalische Bildungsreise zwar im Herz der Finsternis ihren Ausgang nehmen, dann aber nicht in Verzweiflung enden, sondern die faszinierenden Perspektiven der physikalischen Kosmologie aufzuzeigen versuchen.
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