Wozu Theorie? Theorien werden zur Bewältigung lebenspraktischer Probleme entwickelt und nichts ist praktischer als eine gute Theorie; denn Wissenschaft ist hochstilisierte Lebenspraxis. Bereits am Anfang ihrer Menschwerdung hatten unsere Vorfahren politische Probleme des Miteinanderredens und technische Probleme des handgreiflichen Umgangs mit den Dingen ihrer Umgebung zu bewältigen. Zwischenmenschliche Interaktionen im kommunikativen Handeln und tätige Arbeit im strategischen Handeln haben die Bildung politischen Wissens in den Sozialwissenschaften und technischen Wissens in den Naturwissenschaften motiviert. Die Methoden der Theorienbildung, Abstraktion und Ideation , gehen auf die antiken Philosophen Aristoteles und Plato zurück. Aus der Praxis von Handwerk und Technik ging die Physik hervor. Das Jagen und Sammeln sowie Ackerbau und Viehzucht motivierten die Biologie. Und die Probleme des kommunikativen Handelns gaben Anlaß zur Soziologie. Die Theorie der dynamischen Systeme behandelt gleichermaßen die physikalischen-, biologischen- und soziologischen Systeme. Bei physikalischen Systemen ist es z.B. wichtig zu wissen, warum Schwingungsbelastungen von Fahrzeugen, Brücken oder Gebäuden zum Bruch führen können. In der Biologie z.B. geht es um die Frage, wie es zur Herausbildung kooperativen Verhaltens unter Konkurrenzbedingungen kommen konnte. Und Soziologen suchen z.B. zu verstehen, wie es in pluralistischen Gesellschaften zur Polarisierung von Meinungen kommen kann.
Die Theorie dynamischer Systeme ist ein übergreifendes Forschungsprogramm zur Untersuchung realer Systeme. Ihre Leitwissenschaft ist die Physik. D.h. sie bedient sich gleichermaßen formaler Methoden der Mathematik und Informatik sowie realer Meß- und Erhebungsverfahren zur Überprüfung ihrer Modelle in der Praxis bzw. im Experiment. Wenngleich weder die Natur, noch Organismen und Gesellschaften nach dem Baukastenprinzip der Technik hinreichend verstanden werden können, verhelfen systemdynamische Modellbildungen und Simulationen gleichwohl zu einem erweiterten Verständnis auch tierischen Verhaltens und menschlichen Handelns . Denn aufgrund der einheitlichen Naturgeschichte aller Energiegestalten im Universum, seien es Atome, Organismen oder Galaxien, unterliegen nicht nur die Molekülbildungen auf der Stufe zum Leben, sondern auch die Populationsbildungen auf dem Weg zum Menschen, den physikalischen Optimierungsprinzipien der Evolution.