Mythen

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Mythen

Im Urmeer die Lebensformen sich suchen

Wie Blitz und Donner sie erwecken

Den Menschen mit Feuer, Werkzeug und Rufen

Die heulenden Wölfe erschrecken

Atemhauch sie ihre Seele verdanken

Verwandt dem See wie Nebel und Tau

Im Gespinst des Morgens Schicksale ranken

Und die Elfen spielen in der Au

Die Vermehrung aus sich selbst heraus: die Selbstreproduktion und der Stoffwechsel sind Grundbedingungen des Lebens. Sie sind bereits dem pulsierenden Kosmos und den Entwicklungszyklen der Sterne eigen. Die Selbstreproduktion kennzeichnet nicht nur irdisches Leben, sondern kommt bereits beim Wasserstoff-Brennen in den Sternen vor. Wie mag das Leben auf der Erde begonnen haben? Die Grundbestandteile der Lebewesen, Nuklein- und Aminosäuren, sind schon in Meteoriten enthalten! Die Nukleinsäuren wurden zuerst in den Zellkernen entdeckt. Deshalb ihr Name: Säuren des Zellkerns (Nucleus). Sie bilden die Bestandteile der Erbanlagen (Genom), die den Bauplan eines jeden Organismus enthalten. Die Nukleinsäuren der Gene bestehen aus vier Bausteinen, die Nukleotide genannt werden. Aus ihren Kombinationen wird der genetische Code gebildet, mit dem unsere Erbanlagen verschlüsselt sind. Nach ihm werden die Moleküle zur Umwandlung aller körpereigenen oder fremden Stoffe hergestellt, die Enzyme. Sie gehören zu den Proteinen (Eiweißen), die aus Aminosäuren aufgebaut werden. Aminosäuren entstehen aus Abwandlungen des Ammoniaks und können zu langen, verzweigten Ketten verknüpft werden. Die Enzyme vermitteln den Auf- und Abbau der Stoffe, ohne selbst verändert zu werden. Solche Vermittler werden auch Katalysatoren genannt. Den Abbau des Alkohols vermittelt beispielsweise das Enzym Alkoholdehydrogenase. Es wird in der Leber produziert und baut den Alkohol über Acetaldehyd zu Kohlendioxyd und Wasser ab. Der Alkohol zerstört langfristig nicht nur die Leber, sondern auch das Gehirn!

Nach der Energie (aus dem Chaos) und der Materie als Energiegestalt im abkühlenden Universum, ist mit dem genetischen Code die Information als Grundlage der Lebensvielfalt in der kosmischen Entwicklung zutage getreten. Sie ist umgekehrt proportional zur Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses. Ihr Kehrwert wird Entropie genannt. Zufällige, nicht vorhersehbare Ereignisse, haben hohen Informationsgehalt. Z. B. die Augenzahl eines Würfels nach seinem Wurf beim Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Nahezu sichere Ereignisse, wie das morgendliche Aufgehen der Sonne, haben geringen Informationswert. Die Information ist ein Maß der Überraschung. Als Folge verminderter Energiedichte nimmt die Entropie mit der Ausdehnung des Universums ständig zu. Denn immer mehr Energiegestalten (Materie) bilden sich heraus. Die Menge möglicher neuer Gestalten, der Informationsgehalt, nimmt fortwährend ab. Je älter das Universum wird, desto mehr zeigt es von sich. Demgegenüber werden mit den genetischen Codes der Lebewesen neue Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Diese Abnahme von Entropie ist nur auf der Grundlage eines Stoffwechsels möglich, dem genügend Energie zur Verfügung steht. Planentensysteme, ähnlich unserem Sonnensystem, kommen aber milliardenfach allein in der Milchstraße vor!

Wie können nun die Enzyme entstehen, wenn sie nach einem Code aus Nukleinsäuren gebildet werden, für deren Bau sie wiederum als Vermittler dienen? Was war zuerst da, Enzyme oder Gene, die Henne oder das Ei? Ähnlich dem Proton-Proton-Zyklus zum Wasserstoff-Brennen in den Sternen, haben sich hier mehrere Kreisläufe zu einem Hyperzyklus verbunden. Die Eiweißbildung zum Bau der Enzyme aus Aminosäuren und die Verknüpfung der Nukleotide zur Bildung der Gene. Derart sich selbst vermehrende Moleküle bilden das (gelöste) Rätsel des Lebens. Dabei ist das Lebensspiel lediglich eine Variante des Materiespiels nach den Regeln der elektromagnetischen Wechselwirkung.

Nukleotide und Aminosäuren waren nicht nur mit den Meteoriten auf die Erde gekommen, sie bildeten sich auch neu. In den Gewittern der Uratmosphäre entstanden sie aus Ammoniak NH3, Methan CH4, Wasserdampf H2O und Wasserstoff H2. Aus den Hyperzyklen gingen schon vor Jahrmilliarden erste molekulare Lebensformen hervor. Diese sich selbstvermehrenden Moleküle grenzten sich von ihrer Umgebung durch dünne Häute (Membranen) ab. Membranen, die nur aus wenigen Molekülschichten bestehen können, kennst du bereits, wenn du dich ans Seifenblasen erinnerst. Durch die Membranen entstand erstmals die Trennung zwischen Innen- und Außenwelt. Geschützt von der Außenwelt im Urmeer, fanden sich solche membranumschlossenen Moleküle (Organellen) zu höheren Einheiten zusammen, den Zellen der Eubakterien.

Auf dem Meeresgrund in der Nähe (vom Magma) erhitzter Quellen, könnten unabhängig davon die Archäbakterien entstanden sein. Die sich von Schwefelwasserstoff H2S ernährenden Bakterien konzentrierten erstmals alle ihre Gene in einem Zellkern. Damit gelten sie als Urform allen Lebens auf der Erde. Die Ahnenreihe der Lebewesen reicht von den Einzellern über die vielfältigen Gestalten der Pflanzen und Tiere bis hin zu den Menschen. Die vor über drei Jahrmillionen durch Afrika streifenden Vormenschen (Hominiden) und ihre Nachfahren bevölkerten in mehreren Wanderungsbewegungen den Globus. Vernunftbegabte Menschen (homo sapiens) traten erstmals vor rund 100.000 Jahren auf den Plan und besiedelten vor über 30.000 Jahren Europa. Die letzten großen Wanderungsbewegungen in dieses Gebiet zu vorhistorischer Zeit unternahmen vor etwa 10.000 Jahren kleinasiatische Völker. Davon berichten schon die immer wieder erzählten alten Geschichten, die Mythen. In der germanischen Mythologie wird vom Kampf der Asen (aus Asien) mit den (ansässigen) Vanen berichtet. Die Asen galten auch als göttliche Vertreter himmlischer Naturgewalten (Halbgötter) und wurzeln in den Vorstellungen eines Ahnenkultes. Mit ihm wurde an die Seelen der heldenhaften Vorfahren anzuknüpfen versucht. Wir sollten nicht vergessen, daß wir die Nachfahren der Sieger sind in all diesen (blutigen) Kämpfen um die besten Lebensräume.

Vom Schrecken der Menschen, die ungeschützt den rohen Naturgewalten ausgesetzt waren, können wir uns heute kaum mehr eine Vorstellung machen. Zudem hatten unsere frühen Vorfahren noch nicht die Fähigkeit, klar zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Die Natur, erlebt im Wachen und Träumen, schien ihnen durchwirkt von Leben, als Ganzes beseelt und - höchst bedrohlich. Denke nur an Unwetter, Kälte, karge Landschaften und wilde Tiere, mit denen um die Nahrung gekämpft werden mußte! Aber Not macht erfinderisch. So nutzten unsere Vorfahren Knochen und Steine als Waffen und Werkzeuge, zähmten das Feuer zum Wärmen und Jagen, verständigten sich durch Austausch von Gebärden, Lauten und - Worten. Was mit den Lebensspielen begann, setzten sie mit Gesellschaftsspielen fort.

Frühe Geschichten über das Naturerleben im Wachen und Träumen sind in den Mythen überliefert. Die Feuchte des Nebels, Morgentaus und Atemhauchs wurde zur Grundlage eines Seelenglaubens. Die in allem wirkende Feuchte (Seele, Psyche) pulsiert im Rhythmus des Atmens und durchläuft im Kreislauf des Wassers die vielfältigsten Verwandlungen. Ohne ersten Atemzug bleibt kein Kind am Leben. Nach dem letzten Seufzer stirbt der Mensch. In der Vorstellung unserer Vorfahren fuhr die Seele als erster Atemzug in den Körper und verließ ihn mit dem letzten. Die wandernden Seelen (Engel) hatten ihren Hort in Engeland. Im See ruhten die Seelen der Toten und Nachkommen. Als Seelenbringer galt der Storch. Der Glaube an verwandelte Seelen in Tiergestalt schützte so manche Kreatur vor dem gewaltsamen Tod; denn im Frosch konnte sich ein Prinz verbergen, der Wolf ein Werwolf sein. Mensch und Natur, gleichermaßen beseelt, bildeten noch eine Einheit.

Die Natur sprach zu den Menschen in Träumen und Witterungserscheinungen. Im Blätterrauschen der Bäume tuschelten die Seelen der Ahnen. Gewitter galten als Zornesausbrüche der Natur. Zunächst durch Wutausbrüche, später in feierlichen Beschwörungen (Riten), versuchten die Menschen mit der Natur ins Gespräch zu kommen. Unter dem Einfluß von Pflanzenwirkstoffen (Drogen) versetzten sie sich in Trance, um der Stimme ihrer inneren Natur zu lauschen, sie mit der äußeren in Einklang zu bringen, sich Eins zu fühlen. Diesem Weg der Erleuchtung zur Ahnung des Ganzen, versuchten die indischen Weisen am Ufer des Indus zu folgen. Die aus dem Weg zur Erleuchtung hervorgegangenen Erlebnisreligionen der Hindus unterscheiden sich wesentlich von den Gesetzesreligionen der Juden, Christen und Moslems. Die Einkehr in die Innenwelt des Erlebens zwingt niemandem eine Lebensweise auf. Jedem ist es freigestellt dem Vorbild des Weisen zu folgen.

Die Natur gebar auch Ungeheuer. Den feuchten, umwachsenen Höhlen entschlüpften nicht nur die Kinderleiber. Der Erdmutter entkreuchten Riesenschlangen und feuerspeiende Drachen! Der finstere Wolfsrachen verschlang den lieblich hellen Tag wie der böse Wolf die Geißlein. Von den sieben Tagen überlebte nur das Heute! Denke nur an die im Nebel verschwindende Landschaft. Mit Einbruch der Nacht wurde es in der Vorzeit ohne Mondschein (und elektrische Beleuchtung) wirklich finster! Der Wortbedeutung nach war mit Geist der Schreck gemeint, der den Menschen in die Glieder fuhr, wenn sie die Wölfe heulen hörten. Unter den Vorfahren der Griechen brach Panik aus, wenn ihnen der Naturgott Pan auflauerte. Im Norden bevölkerten vielfältige Naturgeister den Wald: Alben, Elfen, Gnome (Zwerge) und Trolle (Unholde). Die Elben spielten nicht selten noch im Morgentau am Ufer der Elbe.

Wolkenfrauen, wie Frau Holle, sponnen das Band des Schicksals zwischen den (erdigen) Leibern und (feuchten) Seelen. Die Metten (Abmessenden) vermaßen die Schicksalsfäden. Das aus den Fäden des Schicksals gesponnene Schleppkleid (samar) der alten Weiber (Nornen, Moiren, Parzen) spüren wir noch heute im Altweibersommer. Die Beschwörung der Naturgeister erfolgte in wiederkehrenden Festen nach dem Stand von Sonne und Mond. Fruchtbarkeitsrituale wurden den Licht- und Frühlingsgöttinnen (Ostara, Eastre, Eos) geweiht. Unbefangen tanzten und paarten sich die Menschen im wärmenden Schein von Feuern. Zu Sonnenrädern, Schlangen und Hörnern gebackene Julbrote wurden als Opfergebäck zur Wintersonnenwende, dem Julfest, dargebracht. Die hellen Geißlein im dunklen Wolfsrachen sollten wohlgenährt zum nächsten Frühling erscheinen.

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