In der Physik hatte Einstein 1905 die Trägheit der Energie nachgewiesen, indem er sich fragte: Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? Und antwortete: E=mc2. 1911 dachte er folgerichtig Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes nach und leitete in erster Näherung für die Ablenkung des Sternenlichtes an der Sonne als prüfbare Hypothese einen Winkel von 0,83'' ab. Nach Ausarbeitung seiner allgemeinen Relativitätstheorie (ART) gibt er 1916 in einer zusammenfassenden Arbeit Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie den doppelten Winkel mit 1,7'' an. Und die Periheldrehung des Merkurs (d.h. die Drehung seiner Bahnellipse in Bewegungsrichtung) berechnet er zu 43'' pro Jahrhundert. Gemessen worden waren: 43,11 plusminus 0,45'' pro Jahrhundert. Eine Bogensekunde ('') erstreckt sich über den winzigen Bereich von etwa 5 millionstel des Kreisumfangs.
Die Expedition Sir Arthur Eddingtons
zur Sonnenfinsternis auf Principe Island in West Africa vom 29. Mai 1919 ergab
nach Angabe Steven Weinbergs für die Lichtablenkung von fünf Sternen an der
Sonne im Mittel: 1,6 plusminus 0,4''. Die Expeditionsergebnisse wurden am 6. Nov. 1919
in der Royal Society bekannt gegeben. Am 8. Nov. erschien THE TIMES mit der
Überschrift: THE REVOLUTION IN SCIENCE. Einstein vs. Newton. Views of eminent
physicists. Und am 14. Dez. kam die Berliner Illustrierte heraus mit einem
großen Titelphoto und dem Bekenntnis: Eine neue Größe der Weltgeschichte:
Albert Einstein, dessen Forschungen eine völlige Umwälzung unserer Naturauffassung
bedeuten und den Erkenntnissen eines Kopernikus, Kepler und Newton gleichwertig sind.
Einstein wurde öffentlich als weltgeschichtliche Größe, als Umwälzer und Revolutionär geoutet. Innerhalb der Physik war die Einsteinsche Revolution von 1905 bereits auf der Naturforscherversammlung 1909 durch Planck als kopernikanische Tat gewürdigt worden. Die noch anhaltende Umwälzung unserer Naturauffassung wurde auf die kopernikanische Revolution bezogen, die 1543 im Todesjahr des Kopernikus begann mit seinem Werk: Über die Umläufe der Himmelskreise. Nach Kepler und Galilei fand sie 1687 mit Newtons Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie ihren Abschluss. Kopernikus und Kepler standen noch ganz in der Tradition der Pythagoräer, die im Neoplatonismus der Renaissance wieder zu einer spirituell-idealistischen Bewegung erstarkten. Weltbild und Kulte wurden durch Lichtmetaphern und Sonnenverehrung sowie Sphärenharmonik und Zahlenmystik geprägt. Dem stand die christlich-aristotelische Scholastik gegenüber, die auf dem geozentrischen Weltbild der Bibel beharrte und sich bei Aristoteles die passenden Argumente suchte.
Ähnlich wie Galilei, der für seine Verteidigung des kopernikanischen
Systems 1633 von der katholischen Inquisition zum Abschwören seiner Thesen
gezwungen wurde, erging es in den 1920er Jahren auch Einstein. Dem heiligen
Offizium entsprachen die germano-faschistischen Tribunale zur Reinhaltung
der Wissenschaft. Der Naturforscher konnte nur durch Emigration sein Leben retten;
denn der Invarianzforderung seiner Relativitätstheorie entsprach die Weltbürgerlichkeit
seiner Persönlichkeit. Einstein trat nicht nur als Physik- und Philosophiekritiker
hervor, sondern betätigte sich auch als Gesellschafts- und Kulturkritiker; wobei
ihm Obrigkeitsstaat und Deutschtum besonders zuwider waren. Er hatte
den Durchbruch zu einer neuen Kosmologie geschafft und als
Gefühlssozialist die Weimarer Republik
begrüßt. Im Ausland galt er
als willkommener Weltbürger, der sich zu Freiheit und Demokratie bekannte.
Für die deutsche Reichsregierung war er das für ein besseres Deutschland werbende
Aushängeschild. Das gab auch den durch die schmachvolle Niederlage deprimierten
bürgerlichen Schichten wieder Auftrieb und Selbstbewusstsein.
Neben der Physik- und Gesellschaftskritik beschäftigte sich Einstein auch mit der
im engeren Sinne kritischen Physik, d.h. mit der Untersuchung von Systemen
in der Nähe kritischer Übergangsbereiche bei Phasenübergängen oder sonstigen
Instabilitäten. Die Erforschung statistischer Schwankungen war sein zweites
großes Betätigungsfeld neben den Invariantentheorien. Zur statistischen
Physik und nicht zu einer Grundlagentheorie rechnete er zeitlebens auch
die Quantentheorie. Pythagoräisch-platonischer Idealismus und
atomistisch-epikureischer Materialismus prägen bis heute die
Forschungsprogramme der Wissenschaften. Den gesetzmäßigen Zusammenhängen
auf der Systemebene unterliegen die eher statistischen Teilchenwechselwirkungen,
Genkombinationen und Handlungszusammenhänge auf dem Niveau der Atome, Zellen
und Individuen.
Nach Habermas sind Gesellschaften systemisch stabilisierte
Handlungszusammenhänge sozial integrierter Gruppen. Zu den systemischen
Steuerungsmedien zählt er Geld und Macht. Energie und Information erwähnt
er nicht, so dass in seiner Gesellschaftstheorie neben Wirtschaft und Staat
weder Natur noch Technik eine Rolle spielen. Ebenso vernachlässigt er die
sexuellen Reproduktionsverhältnisse der Menschen. Der natürliche
Stoffwechsel wird von ihm zwar als Basis der symbolischen Austauschbeziehungen
gesehen, aber nicht weiter analysiert. Der sozialen Integration dient
die verständigungsorientierte Kommunikation
und das
funktionsorientierte instrumentelle Handeln vermittelt die Systemintegration.
Biologisch können Menschen als systemisch stabilisierte Genkombinationen
phänotypisch integrierter Gruppen aufgefasst werden. Sexualität basiert
ihre Gruppenzusammenhänge. Und in der Physik lassen sich Sonnensysteme
als systemisch stabilisierte Wechselwirkungen gravitativ integrierter Körper
verstehen. Starke und elektroschwache Wechselwirkungen stabilisieren dabei die
Gravitaion der Sonnenmasse. Menschheit und Natur ließen sich über die
Steuerungsmedien Materie, Energie und Information in der irdischen
Biosphäre verkoppeln. Die Verbindung von Gesellschaft, Biosphäre und Sonnensystem,
Mensch, Umwelt und Natur, bzgl. der menschlichen Kommunikation, der sexuellen
Reproduktion und der physischen Wechselwirkungen im Rahmen einer vereinheitlichten
Kosmologie ist eine Herausforderung der Zukunft.
Der Kosmos ist dem Wortsinn nach für Einstein kein
chaotisches Durcheinander; vielmehr ein wohlgeordnetes Weltganzes. Im Rahmen
der ART sogar eine kontinuierlich-zusammenhängende Totalität, in der holistisch
alles mit allem wechselwirkt und mit der Materie auch Raum und Zeit verschwänden.
Die Einheit des Seins, das kontinuierlich-gleichförmige, statisch-ewige
Universum findet bei Einstein seinen Ausdruck in der kosmologischen Konstanten,
die er seiner Feldgleichung 1917 in den kosmologischen Betrachtungen
hinzufügte. Diese von ihm später als größte Eselei seines Lebens
bezeichnete Tat spielt heute wieder eine Rolle beim Aufklären des Rätsels
der dunklen Energie und Materie, aus der das Universum zu 95%
bestehen soll.
In der Einleitung pflegt man die im Titel genannten Ausdrücke zu erläutern und den roten Faden der Argumentation für die ganze Arbeit zu spinnen. Auf die allgemeine Bestimmung von Wissenschaft werde ich im Kontext der westlichen Zivilisation eingehen; denn die neuzeitliche Naturwissenschaft ist in keiner anderen Zivilisation entstanden. Eine weitere Präzisierung von begründender Wissenschaft werde ich dann im Rahmen der politischen Forschungsprogramme geben, die sowohl Entstehung als auch Verwertung von Wissenschaft kontrollieren. Nach der in groben Zügen verfolgten Entwicklung der westlichen Zivilisation kann das Forschungsprogramm Einsteins herausgearbeitet und seine Relevanz zur Verbesserung der gegenwärtigen Weltlage aufgezeigt werden.
Dabei bestimmen zwei große Entwicklunglinien den Auftakt und Fortgang der westlichen Zivilisation: Die aus der Jagdtechnik und Bodenbearbeitung hervorgegangene Handwerkskunst einerseits und die aus der Himmelsbeobachtung und den Religionsriten entstandene Schriftgelehrtheit andererseits. Lässt sich aus dem technischen Fortschritt geradezu ein Maß der jeweils erreichten Kulturhöhe gewinnen, hat sich an der Schriftgläubigkeit und Autoritätshörigkeit in den patriarchalen Religionen bis heute kaum etwas geändert. Nur die sich vom Ackerbau bis hin zur Feldtheorie entwickelnde Physik konnte mit der Technik Schritt halten und in eine wissenschaftliche Kosmologie einmünden, deren Parameter nach Anzahl und Genauigkeit eine fortwährende Verbesserung ermöglichten.
In den Schlussfolgerungen wird es deshalb um die vereinheitlichende Sicht der literarischen und naturwissenschaftlichen Kultur im Rahmen einer allumfassenden Kosmologie gehen, auf die sich auch Gesellschaftstheorien beziehen könnten. Hedonistischer Materialismus und moralischer Idealismus, westliche Popkultur und religiöser Fundamentalismus stehen sich nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Einstein scheint das Kunststück eines hedonistischen Moralisten fertig bekommen zu haben. Und so wird im Ausblick schließlich angedeutet, was jeder selbst nach Einsteins Vorbild der intellektuellen Redlichkeit folgend zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beitragen könnte.