Das Kalte wird warm, das Warme kalt. Der heißgebrühte Kaffee nimmt nach längerem
Stehen die Zimmertemperatur an, ebenso das aus dem Kühlschrank genommene Bier.
Ungleichgewichte, wie Temperaturunterschiede, haben die Tendenz sich auszugleichen.
Der Heizkörper dagegen bleibt dauerhaft wärmer, der Kühlschrank kälter
als die Umgebung. Dazu ist allerdings fortwährend Energie zuzuführen, um
das sich abkühlende Heizungswasser aufzuwärmen bzw. das sich erwärmende Kühlmittel
abzukühlen. Die Aufrechterhaltung einer Temperaturdifferenz erfordert ständige
Energiezufuhr. Unser Körper entnimmt diese Energie der Nahrung. Die Erde wird von
der Sonne beheizt. In der Sonne wird Energie bei der Kernfusion von Wasserstoff zu
Helium frei. Woher die Energie letztlich kommt, weiß niemand. Man weiß nur, daß
sie nicht erschaffbar ist, sondern lediglich umgewandelt werden kann und alle Vorgänge
im Universum energiebasiert sind. Das gilt nicht nur für das Licht der Sterne, sondern
auch für alle Lebens- und Denkvorgänge. Bei körperlicher Ruhe wird die meiste Energie
unserer Nahrung im Gehirn umgesetzt. Jeder Gedanke, und sei er noch so flüchtig, basiert
auf einer Energieumwandlung im Hirnstoffwechsel.
Nach Einsteins Formel ist in der Ruhemasse der Protonen im Universum die gigantische Energiemenge von rund gespeichert. Davon strahlt unsere Sonne einen Energiestrom von etwa in den Raum ab, von dem rund die Erde treffen. Zwei Drittel dieser Leistung erreichen in mittleren Breiten die Meereshöhe. Pro Quadratmeter sind das ca. . Ein Mensch braucht in Ruhe etwa zum Leben. Der Primärenergieeinsatz in Deutschland lag Anfang der 90er Jahre bei rund im Jahr. Pro Kopf sind das etwa ! Dieser Leistungsbedarf hat offensichtlich das menschliche Maß gesprengt. Aber auch bezüglich der solaren Leistungsdichte von ist es noch ein Mehrfaches.
Der hohe Primärenergieeinsatz ist nicht nur eine Folge unserer hohen Ansprüche an den Lebensstandard, sondern wird auch wesentlich durch den Wirkungsgrad der Energieumsetzung beeinflußt. Mit jeder Energieumwandlung wird der Anteil nutzbarer Energie kleiner, da immer Abwärme entsteht. Im Durchschnitt liegt der Nutzenergieanteil bei einem Drittel. Im Verkehrsbereich sind es sogar unter 20%. Warum ist kein Wirkungsgrad von 1 möglich? Weil bei jeder Energieumwandlung Abwärme entsteht. Mit Abwärme ist ein Verlust an nutzbarer Energie gemeint. Nutzbar ist Energie, wenn sie einen hohen Ordnungsgrad aufweist. Als Abwärme ist ihr Ordnungsgrad sehr gering. Mit jeder Energieumwandlung wird also umgekehrt die Unordnung erhöht. Wie läßt sich aber Unordnung bestimmen? Durch die Wahrscheinlichkeit! Denn für die Realisierung eines ungeordneten Zustandes gibt es sehr viel mehr Möglichkeiten als für den geordneten. Je mehr Möglichkeiten einen Zustand realisieren können, desto größer ist seine thermodynamische Wahrscheinlichkeit W. Die Entropie S als Maß der Unordnung in Abhängigkeit von W hat bereits 1877 Ludwig Boltzmann formuliert:
Die Konstante k wird auch Boltzmannkonstante genannt. Mit Bezug auf den Gleichgewichtszustand, in dem der Kaffee und das Bier mit dem Zimmer die gleiche Temperatur teilen, wird die Entropie zunehmen; und zwar so lange bis der Gleichgewichtszustand erreicht und die Entropie maximal geworden ist. Für die Entropieänderung dS gilt:
Die Temperatur T kann als Änderung der Entropie mit der Energie E definiert werden:
Sich selbst überlassen, werden sich die Temperaturen TK und TB des Kaffees und
des Bieres von TK > TZ und TB < TZ der Ausgleichstemperatur TZ des
Zimmers annähern, so daß TB = TK wird. So weit, so gut. Aber warum wird
eigentlich der Kaffee kalt, das Bier warm? Weil Temperaturdifferenzen die Tendenz
haben, sich auszugleichen. Und warum haben sie diese Tendenz? Darauf gibt nur die
Atomstruktur der Materie eine Antwort. Die Temperatur ist nämlich nichts anderes als
ein Maß für die mittlere Bewegung der Atome. Werden nun verschieden schnelle Atome
zusammengebracht, kommt es zu Stößen zwischen ihnen, bei denen die schnelleren Energie
verlieren und die langsameren Energie gewinnen.
Der Boltzmann'sche Entropiesatz verbindet die Myriaden möglicher
Geschwindigkeitsverteilungen einer Vielzahl von etwa 1023 Atomen mit dem Meßwert
der Entropie. Dieser Zusammenhang zwischen Alltagsphysik und Mikrostruktur ist von
grundsätzlicher Bedeutung. Denn nicht nur in der Experimentalphysik, sondern ganz
allgemein in unserer Alltagserfahrung, handelt es sich stets nur um mehr oder minder
genaue Näherungen für Mittelwerte über eine große Zahl von unbeobachtbaren
Einzelereignissen. Und Einzelereignisse sind nur mit einem großen technischen
Aufwand meßbar, ohne sie dabei wesentlich zu stören. Grundsätzlich bildet die Natur
eine Totalität oder Ganzheit; sie ist kein Baukasten, wie Kinder und Ingenieure
glauben mögen. Und weil in der Natur kein Ereignis beliebig genau isolierbar ist,
kann eine Messung nur in seltenen, trickreichen Ausnahmefällen störungsfrei
vorgenommen werden. Das Rechnen mit Mittelwerten und Wahrscheinlichkeiten ist daher
wesentlich in der gesamten empirischen Forschung.
Aber kommen wir zur Entropie zurück. Sie ist ein objektivierbares Maß für die Entwicklungsrichtung beliebiger Vorgänge. Als Maximalprinzip ist sie ein Spezialfall von Extremalverfahren, die aus dem groß oder klein werden einer Größe eine natürliche Prognose erlauben oder eine moralische Entscheidung bewerten. Die Entropie kann als Maß der Unordnung gelten, die dazu tendiert, zuzunehmen und sich einem Gleichgewichtszustand anzunähern. Gleichgewichtszustände sind einfach, aber langweilig. Leben ist nur möglich fern ab vom Gleichgewicht, was allerdings eine ständige Energiezufuhr voraussetzt, die unseren Körper auf eine konstante Temperatur von hält. Wer die Überraschung, das seltene Ereignis, liebt, wird eine Größe definieren wollen, die der Entropie entgegensteht und nicht beim wahrscheinlichsten, sondern beim unwahrscheinlichsten Ereignis maximal wird. Ein solches Maß der Überraschung kann auch thermodynamische Information I oder Negentropie genannt werden: I = -S/k, wobei . Da der Erde durch die Sonne über Milliarden von Jahren genügend Energie zugeführt wird, konnte sich durch Optimierung von Information eine Vielzahl von Lebensformen herausbilden. Das Informationskonzept eignet sich aber nicht nur zum Verständnis der biotischen Evolution, sondern auch zur Formulierung wissenschaftlicher Theorien.