Mit einer Theorie der Forschungsprogramme soll berücksichtigt werden, dass Wissenschaft keine Privatangelegenheit einzelner Forscher ist, die in einsamer Abgeschiedenheit ihren Visionen folgen und Interessen nachgehen. Wissenschaft hat überprüfbar, lehrbar und institutionalisierbar zu sein. Neben dem inneren Begründungszusammenhang steht sie immer auch in einem äußeren Entstehungs- und Verwertungszusammenhang. Gesellschaftliche Umwälzungen und polit-ökonomische Rahmenbedingungen werden dabei präzisiert durch Paradigmen, Erkenntnisinteressen und Themata.
Mit Paradigmen werden seit Kuhn die metaphysischen Überzeugungen und forschungspolitischen Annahmen bezeichnet, die den Entwurf der Theorien und die Planung der Experimente leiten. Die von Habermas im Wissenschaftsbetrieb vermuteten erkennnisleitenden Interessen beziehen sich demgegenüber eher auf die handfesten polit-ökonomischen Interessen, die in der jeweiligen Forschungsorganisation erkenntnisleitend wirksam werden. Und die Themata Holtons meinen darüber hinaus die individuelle Seite des Forschens, wie sie sich in den persönlichen Vorlieben, Werthaltungen und Orientierungen des jeweiligen Wissenschaftlers äußern.
Paradigmen, wie beispielsweise das geozentrische Weltbild, kennzeichnen die normale Wissenschaft. Wissenschaftliche Revolutionen lassen sich dann als Paradigmenwechsel beschreiben, wie z.B. der Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild. Das Paradigma leitet die Interessen bei der Auswahl und Gewichtung der Probleme wie bei der Erhebung und Interpretation der Daten, während die Themata spezieller die Methoden bestimmen, ob z.B. mit kreisförmigen Deferenten und Epizykeln, wie bei Ptolemäus und Kopernikus, gearbeitet wird oder mit Ellipsen, wie bei Kepler. Weitere Themata wären Korpuskular- oder Wellentheorie, Nah- oder Fernwirkungsprinzip.
Ein allgemeineres Paradigma ist das der exakten Wissenschaft. Geschaffen in der griechischen Antike von Thales über Euklid, Aristarch und Archimedes bis hin zu Ptolemäus, hatte der Aufbruch in die Moderne von Kopernikus über Kepler und Galilei bis hin zu Newton seine Revolutionierung zur Folge. Und im 20. Jahrhundert wurde es von Einstein und Heisenberg zum näherungsweise vereinheitlichenden Paradigma (NVP) verfeinert. In ihm umfassen jeweils in sich abgeschlossene Theorien einen logisch-mathematisch wie empirisch-experimentell überprüften Geltungs-, Güligkeits- und Genauigkeitsbereich, der möglichst sicher, weit und tief sein sollte.
Die von Staat und Wirtschaft vorgegebenen Ziele zur Verbesserung der Gesellschaft bestimmen die Interessen der Forschungspolitik, wenn z.B. neue Waffen oder Kraftwerke entwickelt werden sollen wie etwa Laserkanonen oder Fusionsreaktoren. Derartig anwendungsbezogene Forschung lässt den Forschern natürlich weniger Spielraum, ihren Themata zu folgen, als die Grundlagenforschung. Hinsichtlich der Grundlagen kann eine kontinuierlich-deterministische Theorie ggf. einer atomistisch-stochastischen vorgezogen werden.
Im Zuge der deutschen Großmachtpolitik nach der Reichsgründung 1871 kam es durch die großzügige Förderung von Naturwissenschaft und Technik zu einer gewaltigen Ausweitung des militärisch-industriellen Komplexes in Deutschland. Davon provitierten nicht nur die Schwerindustrie und der Energiesektor, sondern auch die chemische Industrie und das Verkehrswesen und nicht zuletzt die neuen Disziplinen Elektro- und Nachrichtentechnik. In der Elektrofirma seiner Familie bekam Einstein im Detail die Fortschritte in der Beleuchtungstechnik mit und konnte verfolgen wie im Verkehrswesen und der Nachrichtentechnik das Synchronisieren der Uhren vorgenommen wurde. Technische Anwendung und theoretische Reflexion gingen dabei Hand in Hand. Denn Physik ist ja seit Galilei immer zugleich quantitative Experimentalwissenschaft und mathematisch-spekulative Naturphilosophie.
Die folgenreiche Entdeckung des Wirkungsquantums wurde nicht zufällig
um 1900 in Berlin gemacht. Planck konnte auf die weltweit beste Laborausstattung
zurückgreifen. Denn die Untersuchung der Schwarzkörperstrahlung diente dem
Ziel, verbesserte Temperatur-Messmethoden für die Schwerindustrie zu
entwickeln.
Die großspurige politische Förderung von Naturwissenschaft und Technik zog
eine Welle populärwissenschaftlicher Propaganda und Information nach sich.
Das wirkte sich positiv auf die Verbreitung einer materialistischen Weltsicht
aus, von der auch Einstein provitierte als er mit unbändigem Eifer Bernsteins
naturwissenschaftliche Volksbücher
verschlang. Die Lektüre befreite ihn von seiner frühen religiösen Prägung
und ließ ihn fortan zu einem Freigeist werden, der keiner Religion oder
Ideologie mehr traute. Zwischen 1888 und 1894 besuchte Einstein das
Luitpold Gymnasium in München. Die dortigen Unterrichtsmethoden deprimierten
ihn nachhaltig: Mir scheint es das Schlimmste, wenn eine Schule
prinzipiell mit den Methoden der Angst, der Gewalt und der künstlichen
Autoriät arbeitet. Solche Behandlungsmethoden zerstören die gesunden
Gefühle, die Aufrichtigkeit und das Selbstvertrauen der Schüler.
Damit produziert man den unterwürfigen Untertan.
Einstein war ein Spätentwickler von grüblerischer Natur, der mehr in der Freizeit als in der Schule lernte. Diese Neigung behielt er noch im Studium bei und wich auch nicht während seiner ersten Anstellung im Berner Patentamt zwischen 1902 und 1908 von ihr ab. Schon als Kind machte der Umgang mit einem Kompass auf ihn einen nachhaltigen Eindruck. Was bewirkte diese geradezu wundersame Bewegung der Magnetnadel? Welche verborgenen Kräfte walteten im Universum? Die Feldtheorie sollte ihn sein Leben lang in den Bann ziehen. Ein paar Jahre später ließ ihn die Euklidische Geometrie nicht mehr los. Wie war es möglich, allein durch Denken wahre Sätze über den Raum beweisen zu können? Angeregt durch die Volksbücher fragte er sich dann als Jugendlicher, was wohl geschehe, wenn man einem Lichtstrahl mit Lichtgeschwindigkeit nacheile? Sah man noch sein Spiegelbild? Existierte überhaupt ein ruhendes elektromagnetisches Feld? Mit ungestümer Leidenschaft stürzte er sich in das Studium der höheren Mathematik, um Maxwells Elektrodynamik zu verstehen. Alle Themen, die Einstein sein Leben lang beschäftigten, waren bereits in seiner Kindheit und Jugend versammelt. Das gedankliche Erfassen dieser außerpersönlichen Welt im Rahmen der uns gebotenen Möglichkeiten schwebte ihm halb bewußt, halb unbewußt als höchstes Ziel vor.
Zur Entspannung in gelegentlich nötigen Denkpausen pflegte er das Violinenspiel,
mit dem er als Kind von fünf Jahren begonnen hatte. Auch diese Leidenschaft
hielt sein ganzes Leben über unvermindert an. Neben Wissenschaft und Kunst
bestimmte natürlich auch die Liebe Einsteins Leben. In der Jugend
gehören alle Gedanken der Liebe; im Alter gehört alle Liebe den Gedanken,
hat er einmal geschrieben. In diesem Sinne war Einstein früh gealtert. In
seiner ersten Liebe zu Marie Winteler während seiner Schulzeit in der Schweiz
fehlte ihm die Gemeinsamkeit sehnenden Suchens beim Enträtseln des Geheimnisvollen.
Dem Seelenkampf seiner ersten gescheiterten Liebe entsprangen folgende
Zeilen: Die angestrengte geistige Arbeit & das Anschauen von
Gottes Natur sind die Engel, welche mich versöhnend, stärkend &
doch unerbittlich streng durch die Wirren dieses Lebens führen werden.
Seine zweite Liebe zu der Kommilitonin Mileva Maric während der Studienzeit
vermittelte ihm den Rausch des Gemeinschaftsgefühls im Lieben und Studieren
nur vorübergehend. Schnell erstarb der verzückte Überschwang im Alltag des
Ehelebens. Dazu meinte er rückblickend: Die Ehe ist der erfolglose Versuch,
einen Zufall zu etwas Dauerhaftem zu machen. Einsteins zweite Ehe
war nur noch eine Zweckgemeinschaft, neben der er sein Leben lang wechselnden
erotischen Freundschaften nachging. Wie stark er auf seine Eigenständigkeit wert legte,
zeigen folgende Zeilen aus seinem Nachlaß:
Unbehaglich macht mich stets das Wörtchen ,,wir``
Denn man ist nicht eins mit einem andern Tier.
Hinter allem Einverständnis steckt
Stets ein Abgrund, der noch zugedeckt.
Dauerhaft unterhielt Einstein nur intellektuelle Freundschaften, etwa zu seinen
Studienkollegen Michele Besso und Marcel Grossmann oder zu den ,,Akademikern``
Conrad Habicht und Maurice Solovine sowie in Princeton zu Kurt Gödel. Das
Wesentliche im Leben eines Menschen von meiner Art, ist, wie er denkt und was
er denkt, nicht was er tut oder erleidet, schrieb er später. Mit dem
Philosophie-Studenten Solovine und dem Studenten der Mathematik Habicht,
gründete Einstein 1903 die Diskussionsgemeinschaft Akademie Olympia.
Zusammen lasen und besprachen sie Texte und Bücher verschiedener Philosophen
und Wissenschaftler, wie Plato, Spinoza, Hume, Kant, Mill, Avenarius und Poincaré.
Während seiner Studienzeit zwischen 1896 und 1900 hatte Einstein nebenher die
Originalarbeiten und Bücher herausragender Physiker gelesen. Philosophisch
anregend und nachwirkend waren dabei vor allem Machs Analyse der Empfindungen
und seine Mechanik, historisch-kritisch dargestellt. Unter seinen Vorbildern
dominierten neben Galilei und Newton noch Faraday und Maxwell sowie Kirchhoff,
Helmoltz und Boltzmann. Für Einstein und seine Mitstreiter war es selbstverständlich,
dass sie sich auch mit der Geschichte und Philosophie ihrer Fachwissenschaften
beschäftigten.
Im Rahmen des Paradigmas der exakten Wissenschaft waren Theorien zu interpretierten Formalismen geworden, die dem Prinzip der Vereinheitlichung folgend immer mehr Einzelphänomene und Teiltheorien umfassten. Newton hatte aristotelische Bewegungslehre und archimedische Statik sowie Galileis Erd- und Keplers Himmelskinematik zu einer abgeschlossenen Theorie vereinigen können, die auf wenigen Definitionen, Postulaten und Axiomen basierte. Aus seinem Gravitationsgesetz folgen neben den Wurfparabeln auch die Ellipsenbahnen und Fluchthyperbeln der Planeten, Kometen und Raketen. Die Mechanik der Kontinua bezieht neben den deformierbaren Festkörpern auch Flüssigkeitsströmungen und Gasvolumina ein. Zudem sind Schall und Wärme mechanistisch verstehbar.
Nachdem der Astronom Hamilton um die Mitte des 19. Jahrhunderts versucht hatte,
auch die Lichterscheinungen in den Formalismus der Mechanik einzubeziehen,
konnte er umgekehrt zeigen, dass die Mechanik als geometrisch-optischer
Grenzfall der Wellenoptik aufgefasst werden konnte. Danach entsprechen den
Teilchenbewegungen die senkrecht zu den Wellenfronten sich im kontinuierlichen
Medium fortpflanzenden Lichtstrahlen. Heron hatte schon um 300 das Reflexionsgesetz
aus dem Prinzip des kürzesten Weges gefolgert; Fermat dann im 17. Jahrhundert
aus dem Prinzip der kürzesten Zeit das Brechungsgesetz herleiten können.
Die Verallgemeinerung zum Prinzip der kleinsten Wirkung durch Euler und
Lagrange ermöglichte es Hamilton wiederum, Teilchenbahnen aus Extremalbedingungen
für Wirkungswellen herzuleiten. Im Rahmen des Extremalprinzips sind die
Bewegungsgleichungen dem Wirkungsintegral äquivalent, d.h. Wirkungsursache
und Zielvorgabe sind einander gleichwertig!
Zu der Zeit als Galilei sich mit den Untersuchungen der Fall- und Wurfbewegungen
beschäftigte und sein Teleskop in den Himmel richtete, erforschte Gilbert den
Magnetismus und sah die Erde insgesamt als großen Magneten an. Nachdem Ampére
den Zusammenhang zwischen elektrischem Strom und Magnetismus nachgewiesen hatte
und Coulomb in Analogie zur Gravitationswirkung zwischen Massen eine
Elektrizitätswirkung zwischen Ladungen ermitteln konnte, postulierte
Faraday die Existenz von Feldlinien als Träger der Kraftwirkungen zwischen
Ladungen, Strömen und Magnetpolen. Maxwell
gelang es dann um die Mitte des 19. Jahrhunderts unter kreativem Einsatz
des Energieerhaltungssatzes Magnetismus und Elektrizität in einer gemeinsamen
Theorie der Elektrodynamik zu vereinheitlichen. Als Frucht dieser
Vereinheitlichung konnte er die Existenz elektromagnetischer Wellen nachweisen
und zeigen, dass Licht alle Eigenschaften dieser Wellen hatte. Neben der
Newtonschen Mechanik war mit der Maxwellschen Elektrodynamik eine weitere
abgeschlossene Theorie entwickelt worden. Die Unvereinbarkeit zwischen
diskreten Ladungen und kontinuierlichen Wellen bestand aber weiter. Im Gegensatz
zur Newtonschen Mechanik war mit dem elektromagnetischen Feld aber das
Nahewirkungsprinzip untermauert worden, da sich die elektromagnetischen
Feldwirkungen mit der endlichen Lichtgeschwindigkeit ausbreiteten. Und Einstein
wies dann nach, dass sich die Maxwellsche Elektrodynamik hinsichtlich der
Invarianz bei der Wahl verschiedener Bezugssysteme nicht wie die Newtonsche
Mechanik verhielt.
Die mit dem Wirkungsquantum und der Elementarladung eingeführten Diskontinuitäten
verschärften die Annahmen der Atomisten. Und die mit den Lichtwellen nach wie
vor bestehenden Kontinuitäten wurden durch die Feldtheorie zugespitzt. In dieser
Krisensituation der Physik trat Albert Einstein auf den Plan, ein Freigeist,
der unverfroren und vorurteilsfrei genug war, die Krise einer grundsätzlichen
Lösung zuzuführen. Seinen Werdegang persönlicher Dezentrierung hatte er mit
der Befreiung vom Nur-Persönlichen und der Hinwendung zur nicht
misstrauenswürdigen Ordnung in den Naturerscheinungen erreicht. Staunenswerte
Naturerscheinungen, religiöse Bevormundung und autoritäres Gehabe in der
Schule veranlassten ihn, vorzeitig das Müncher Luitpolt-Gymnasium zu verlassen
und sein Glück in der liberalen Schweiz zu versuchen. Dort konnte
er seinen Neigungen nach studieren und musizieren, verliebte sich allerdings
so unglücklich, dass er sich weiter von seinen Mitmenschen entfernte. Während
des Physikstudiums und vor allem durch seine umfangreichen privaten Studien seiner
Vorbilder muss es ein für ihn berauschendes Erleben gewesen sein, in der Reflexion der
Theorien-Entwicklung eine ähnliche Dezentrierung wahrzunehmen wie er sie persönlich und
gesellschaftlich erfahren hatte. Bereits 1901 berichtet er über eine Arbeit zur Relativbewegung.
In diese Zeit fallen auch seine Bemühungen darum, die Existenz der Atome nachweisen
zu können. Das besonders durch Mach angeregte historisch-kritische Studium der
Physik hatte reiche Früchte getragen.
In Einsteins Krisendarstellung der Physik geht es ihm zunächst um die Hervorhebung allgemeiner Gesichtspunkte, nach denen physikalische Thoerien überhaupt kritisiert werden können. Dabei unterscheidet er 1.) innere Vollkommenheit, 2.) äußere Bewährung sowie 3.) Einfachheit und Reichhaltigkeit einer Theorie. Die Anwendung dieser Aspekte auf die Kritik der Mechanik als Basis der Physik liefert folgende Präzisierungen:
Neben der Kritik des mechanistischen Weltbildes ergibt sich nach Einstein
eine zweite fundamentale Krise der Physik aus den Folgerungen
des Planckschen Strahlungsgesetzes, die sowohl der Mechanik als auch der
Elektrodynamik widersprächen. Es ergäben sich Konsequenzen für die
Struktur der Strahlung wie für ein alternatives elektromagnetisches
Fundament der Physik.
Nachdem Einstein 1902 eine Anstellung im Berner Patentamt gefunden hatte, die ihn
nicht sonderlich anstrengte, konnte er nebenbei frei seinen kritischen Erkenntnisinteressen
folgen und die Grenzen seiner Themata ausreizen, d.h. nach Ordnung und Gewissheit,
Einheitlichkeit und Einfachheit streben. Sein Forschungsprogramm
bestimmten auch naturphilosophische Überlegungen; ging es ihm doch in der Regel um das
Grundsätzliche. Stets bemühte er sich um eine Grundlegung der Theorien durch wenige
fundamentale Prinzipien. Mit ungewöhnlicher physikalischer Intuition und möglichst
einfacher mathematischer Beweisführung arbeitete er die Unstimmigkeiten und
Gültigkeitsgrenzen der Theorien heraus und bemühte sich nach seinem Maßstab der
Vollkommenheit um eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des physikalischen
Theoriengebäudes. Unstimmigkeiten sah er in den Symmetriebrüchen der
mathematischen Strukturen und die Gültigkeitsgrenzen der Theorien sollten seinen
kosmischen Visionen gemäß möglichst weit hinaus geschoben werden. Die Durchbrüche
in seiner berühmten Trilogie von 1905 gelangen ihm jeweils in den kritischen
Übergangsbereichen zweier Theorien: Die Relativitätstheorie ergab sich aus Mechanik
und Elektrodynamik, die Photonenhypothese aus Thermodynamik und Quantentheorie
und der Nachweis der Atome durch die Brownsche Bewegung aus der Mechanik und
der statistischen Physik. Einsteins
Arbeiten handeln immer auch ein wenig von ihm selbst und bleiben klassischen
Vorbildern verhaftet, die er in kongenialer Weise weiterführt.
Anlässlich seiner Aufnahme in Die Kaiserlich Deutsche Akademie der Naturforscher zu
Halle, hatte Einstein 1932 eine kurze Selbstbiographie zu schreiben: Ich bin in Ulm als
Sohn jüdischer Eltern am 14. März 1879 geboren. Mein Vater war Kaufmann, zog bald nach meiner
Geburt nach München, später 1893 nach Italien. Bemerkenswert an diesem Beginn ist sein
Selbstbewusstsein, das er zeigt, indem er 1932 ausdrücklich darauf hinweist Jude zu sein.
Von reaktionären und nationalsozialistischen Akademiemitgliedern wurde das als Provokation
empfunden. Nach der knappen Schilderung seines schulischen und universitären Werdegangs hebt
er hervor: Seit 1914 bin ich bezahltes Mitglied an der Preuss. Akademie d. Wissensch. in
Berlin und kann mich ausschließlich der wissenschaftlichen Forschungsarbeit widmen. Das war ganz
nach seinem Geschmack, eine Forschungstätigkeit ohne Lehrverpflichtung. Zurückgezogen in seiner
Bärenhöhle im Turmzimmer des Instituts konnte er sich ungestört seinen Studien
widmen. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählt er die wichtigsten zu folgenden
Themen auf:
Brownsche Bewegung (1905)
Theorie der Planckschen Formel und der Lichtquanten (1905, 1917)
Spezielle Relativitätstheorie und Trägheit der Energie (1905)
Allgemeine Relativitätstheorie 1916 und später
Ferner sind Arbeiten über die thermischen Schwankungen zu erwähnen
sowie eine 1917 mit Prof. W. Mayer verfasste Arbeit über die einheitliche Natur von
Gravitation und Elektrizität.
Mit seiner Arbeit zur Brownschen Bewegung hatte er die Theorie stochastischer Prozesse in
die Physik eingeführt und eine experimentelle Überprüfung der atomistischen Struktur der
Materie allererst ermöglicht. Seine Analyse des Planckschen Strahlungsgesetzes schwarzer
Körper hatte 1905 die implizite Annahme von Feldquanten des elektromagnetischen Feldes zutage
gefördert und kann als erste Vorarbeit zur später so erfolgreichen Quantenfeldtheorie des
Standardmodells angesehen werden. In seiner weitergehenden Analyse der Planckschen
Formel von 1917 führte er die Schwarzkörperstrahlung auf elementare, zufällige Emission- und
Absorptionsprozesse in den Atomen zurück. Dabei machte er die Annahme einer auch induzierten
Emission; hatte also nichts geringeres als die erste LASER-Theorie formuliert! In seiner
1905 veröffentlichten speziellen Relativitätstheorie reformulierte er auf der Grundlage zweier
(spezieller) Prinzipien die gesamte Elektrodynamik.
Unter Zugrundelegung zweier (allgemeiner) Prinzipien vollendete Einstein 1916 mit der
allgemeinen Relativitätstheorie die Gravitationstheorie Newtons in einem visionären
Entwurf, der die Energieverteilung im Universum wechselwirkend mit der vierdimensionalen
Raumzeit-Krümmung in Beziehung setzte. Mit der bescheidenen Erwähnung seiner Arbeiten
über die thermischen Schwankungen sind seine Grundlagenarbeiten zur statistischen Mechanik
gemeint, dann seine quantentheoretische Behandlung der spezifischen Wärme von Festkörpern
und zur Quantenstatistik der Bosonen.
An einer Vereinheitlichung von Gravitation und Elekromagnetismus im Rahmen seiner
Theorie ist er aber gescheitert, obwohl er sich bis an sein Lebensende immer wieder damit
beschäftigte. Das Problem ist bis heute ungelöst.
Wichtig für das Verstehen der Relativitätstheorie ist ihr Bezug auf Invarianzforderungen. Einstein ging es nicht um einen naiven Relativismus, sondern gerade umgekehrt darum, möglichst weitgehend von der Wahl des Bezugssystems unabhängige und im gesamten Universum gültige physikalische Gesetze zu formulieren. Der Unabhängigkeit der Gesetze vom Bezugssystem entspricht dabei die jeweilige Invarianz des Formalismus von der Rauzm-Zeit-Transformation. In seiner 1905 veröffentlichten Arbeit Zur Elektrodynamik bewegter Körper bereinigte er die Theorie von Asymmetrien, indem er von zwei Prinzipien ausging: das Prinzip der Relativität und das Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Nach dem Relativitätsprinzip sollten für alle Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten, auch die gleichen elektromagnetischen und optischen Gleichungen gelten. Mit Blick auf eine Grundlegung der physikalischen Theorien nahm Einstein also die Elektrodynamik zum Vorbild einer Revision der Mechanik.
Zusammenfassend lassen sich aus der Reformulierung der Elektrodynamik folgende Konsequenzen ziehen:
Je nach Invarianzforderung entstehen die jeweiligen Geometrien, die eine je verbesserte Zuordnung zu den Naturobjekten zulassen:
Invarianz | Geometrie | Theorie |
---|---|---|
Erlebnisinvarianz | Anschauungsraum | Gesunder Menschenverstand |
Galilei-Invarianz | Euklidische Geometrie | Newtonsche Mechanik |
Lorentz-Invarianz | Minkowskische Geometrie | Spez. Relativitätstheorie |
Einstein-Invarianz | Riemannsche Geometrie | Allgem. Relativitätstheorie |
Die Invarianzforderungen sind das entscheidende Kriterium für den Strukturreichtum der
Geometrie wie der physikalischen Theorie. Dabei ist hervorzuheben, dass die Invarianzforderung
der SRT in Verbindung mit der Gruppeneigenschaft (sowie Homogenität und Isotropie) der
Bezugssytems-Transformationen die Existenz einer endlichen Grenzgeschwindigkeit für
Naturobjekte zur Folge hat!
Die Gründe für eine Erweiterung der SRT zur ART folgert Einstein in den Grundlagen der
allgemeinen Relativitätstheorie von 1916 aus einem schwerwiegenden
erkenntnistheoretischen Argument und einer wohlbekannten physikalischen Tatsache: dem
Machschen Prinzip und dem Äquivalenzprinzip. Damit das Kausalitätsgesetz in der
Mechanik wirklich gelte, fordert er im allgemeinen Relativitätsprinzip: Die Gesetze
der Physik müssen so beschaffen sein, daß sie in bezug auf beliebig bewegte Bezugssysteme gelten.
Und da uns die Erfahrung die Existenz eines Kraftfeldes (nämlich des Gravitationsfeldes) gelehrt
habe, welches die merkwürdige Eigenschaft hat, allen Körpern dieselbe Beschleunigung zu
erteilen, sehe man daß die Durchführung der allgemeinen Relativitätstheorie zugleich zu
einer Theorie der Gravitation führen muß; denn man kann ein Gravitationsfeld durch bloße
Änderung des Koordinatensystems ,,erzeugen``. Die mathematische Präzisierung des
allgemeinen Relativitätsprinzips läuft dann auf die Forderung hinaus: Die allgemeinen
Naturgesetze sind durch Gleichungen auszudrücken, die für alle Koordinatensysteme gelten,
d.h. die beliebigen Substitutionen gegenüber kovariant (allgemein kovariant) sind. Diese
Invarianzforderung bzgl. beliebiger Koordinatensysteme bildet den Kern der
gesamten Theorie und wird auch Einstein-Invarianz genannt. Da die ART zugleich
Raum-Zeit-Theorie, Gravitationstheorie und Kosmologie sowie den Maßstab der Vollkommenheit
für physikalische Theorien schlechthin abgibt, ist sie zum Modellfall für die gesamte Physik
des 20. Jahrhunderts geworden: Es ist klar, daß man im allgemeinen eine Theorie als umso
vollkommener beurteilen wird, eine je einfachere Struktur sie zugrunde legt und je weiter die
Gruppe ist, bezüglich welcher die Feldgleichungen invariant sind.
Als Gravitationstheorie modifiziert die ART Raum und Zeit nicht
nur in Abhängigkeit der Geschwindigkeit, sondern auch als Folge der Gravitation.
Einsteins verschiedene Versuche, durch Abwandlungen der Geometrie, eine vereinheitlichte Feldtheorie zu
formulieren, können bei Pais nachgelesen werden. Bis zu seiner letzten, nichtsymmetrischen Feldtheorie, ist
es ihm aber nicht einmal gelungen, zumindest die Maxwellschen Gleichungen für das freie elektromagnetische
Feld aus seinen erweiterten Theorien der Gravitation herzuleiten. Die Physiker Wheeler und Wisner haben
1957 eine Geometrodynamik ins Werk gesetzt, in der die Massen und Ladungen der Materie als
topologische Knoten der Raumzeit angesehen werden können und insofern eine rein geometrische Feldtheorie
formuliert, die ohne singuläre Feldquellen auskommt. 1965 hat dann der Mathematiker
Penrose
unter sehr allgemeinen und damit höchst wahrscheinlichen kosmologischen Randbedingungen bewiesen, daß
Singularitäten der Raumzeit in der ART unvermeidbar seien. Derartige schwarze Löcher müssen
demnach im Universum weit verbreitet sein. Viele indirekte Hinweise konnten bisher gesammelt werden, auch auf
ein schwarzes Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Neben schwarzen Löchern sagt die ART auch die Existenz
von Gravitationswellen voraus. Aus dem exakt gemessenen Energieverlust der Rotation von Doppelsternen umeinander,
konnte mit der phantastischen Genauigkeit von 14 Dezimalstellen im Rahmen der ART indirekt auf eine Abstrahlung
von Gravitationswellen geschlossen werden. Ein weiterer Triumpf der ART ist im GPS
zu sehen, mit dem Objekte auf der Erde auf weniger als einen Dezimeter genau
geortet werden können. Mit dem differentiellen GPS sind sogar schon zentimetergenaue Positionierungen
möglich. Neben ihrer herausragenden Bedeutung für die Kosmologie
hat sich die ART damit auch in einem praktisch nützlichen Alltagsbereich bewährt.
Die Bedeutung der Genauigkeit der vielen Dezimalstellen in den Berechnungen der quantitativen Naturforschung zeigen auch die Folgerungen der Quantentheorie (QT), bildet sie doch die Grundlage der Elektronik, Nanotechnologie und Informationstechnik. In der technischen Anwendung des GPS sind ART und QT nicht theoretisch fundiert, aber auf praktisch nützliche Weise vereint. Funktionierende technische Anwendungen genügten natürlich nicht den visionären kosmologischen Ansprüchen des weltweisen Genies nach einem grundlegenden Verständnis der vereinheitlichten Feldtheorie aus ersten Prinzipien. Einstein hatte bereits einige Jahre darüber nachgedacht, als er der Preußischen Akademie 1923 einen Artikel vorlegte mit der Frage: Bietet die Feldtheorie Möglichkeiten für die Lösung des Quantenproblems? Seine Antwort läßt nicht lange auf sich warten: Ganz gewiß, wir müssen nur die Feldvariablen durch Feldgleichungen ,,überbestimmen``. So wie in seiner Gravitationstheorie und in der Maxwellschen Elektrodynamik sollten auch in der vereinheitlichten Feldtheorie aller Naturerscheinungen die Ereignisse durch Differentialgleichungen im Einklang mit ihren Anfangsbedingungen auf einer raumartigen Fläche kausal bestimmt sein. Die diskreten Qauntenbedingungen hatten sich in dieses Schema einzufügen. Für sein Programm der Überkausalität durch überbestimmte Feldvariable fordert der Klassiker folgende Voraussetzungen:
Unter diesen Voraussetzungen dürfen wir hoffen, daß durch diese Gleichungen auch das
mechanische Verhalten der singulären Punkte (Elektronen) mitbestimmt wird, daß auch die Anfangszustände
des Feldes und der singulären Punkte einschränkenden Bediungunen unterworfen wird. Im Gegensatz zu seinen
(modernen) Fachkollegen forderte der Klassiker Einstein keine Abschwächung, sondern eine Verstärkung
des Kausalprinzips. 1929 hebt er in Forschungen und Fortschritte gegenüber der
Subkausalität einer Beschränkung auf statistische Gesetze die
Überkausalität seiner Feldtheorie hervor: Das Naturgeschehen scheint so weitgehend
determiniert zu sein, daß nicht nur die zeitliche Folge, sondern auch noch der Anfangszustand weitgehend
gesetzlich gebunden ist. Diesem Gedanken glaubte ich durch Aufsuchen überbestimmter Systeme von
Differentialgleichungen Ausdruck geben zu müssen. Mit der Aufgabe, die Feldgleichungen für das
totale Feld zu finden, ist der Physiker allerdings Zeit seines Lebens nicht fertig geworden.
Die Suche nach einer vereinheitlichten Feldtheorie aus kontinuierlich-deterministischer Elektrodynamik und Gravitationstheorie sowie diskret-statistischer Thermodynamik und Quantentheorie ist bis heute Gegenstand intensiver Forschungen geblieben. Im Fortgang seiner Entwicklung der speziellen zur allgemeinen Relativitätstheorie hatte sich Einstein vom Positivisten zum Klassiker geläutert. Fortan gehörte er zu denen, vor denen er früher immer gewarnt hatte, wie er selber lästerte. Jedenfalls erschien ihm die im Seienden verkörperte Vernunft, dargestellt in einer deterministisch-kausalen, kontinuierlich-holistischen Feldtheorie als das visionäre Ziel seines Strebens. Seiner Vision folgten allerdings nur noch wenige, darunter De'Broglie und Schrödinger, Bohm und Bell sowie 't Hooft.
Die jungen Physiker-Generationen folgten in der
Regel der instrumentell-positivistischen Sichtweise der
Kopenhagener Interpretation
der Quantenmechanik, die von Bohr und Heisenberg zur modernen Physik erklärt worden war.
Dabei gibt es interessante Parallelen
zwischen Kopenhagener- und Frankfurter Schule, die
beide unter ähnlichen politischen Bedingungen in der Weimarer Republik entstanden waren.
So forderten die kritischen Theoretiker der Frankfurter Schule frühzeitig, Sprachkritik
durch Gesellschaftskritik zu ersetzen und die Verengung auf Spielmarkenlogik
und subjektlose Erfahrung durch eine Dialektik von Sozialphilosophie und
Sozialforschung zu erweitern. Neben empirischen Untersuchungen über den Zusammenhang
zwischen Faschismus und autoritärem Charakter, ging es den Dialektikern auch darum, aus
den Spuren des unterdrückten Dialogs das Unterdrückte zu rekonstruieren, wie Habermas es
einmal formulierte. Als Beispielfall ließe sich die Überlieferung des Atomismus von Demokrit
über Epikur und Lukrez
bis hin zu Bruno und Gallilei anführen.
Ähnlich wie die Dialektiker aus Frankfurt, kritisierten die Komplementaristen der Kopenhagener Schule den naiven Realismus und Objektivismus der traditionellen Physik. Denn für Heisenberg war es offensichtlich, dass die Objektivierung der Messergebnisse inkommensurabler Größen nur um den Preis einer prinzipiellen Unbestimmtheit zu haben sei. Die Kopenhagener richteten fortan ihr Augenmerk auf die Analyse des Messprozesses und suchten die Interpretationsprobleme des quantenmechanischen Formalismus durch eine Komplementarität von Naturphilosophie und Physik zu lösen. Die aus intensiven Diskussionen, insbesondere zwischen Bohr und Heisenberg, hervorgegangene Kopenhagener Interpretation (KI) kann in fünf Hauptpunkte zusammengefaßt werden:
Frei nach Horkheimer ließe sich ergänzen: Es gibt nun ein menschliches Verhalten, das die Natur selbst zu seinem Gegenstand hat. Dieses Verhalten wird im folgenden als das ,,kritische`` bezeichnet. Das Wort wird hier weniger im Sinn der idealistischen Kritik der reinen Vernunft als in dem der komplementären Kritik der Quantentheorie verstanden. Es bezeichnet eine wesentliche Eigenschaft der komplementären Theorie der Natur. Folgende Besonderheiten sind hervorzuheben:
Im Anschluss an die Unterscheidung zwischen System- und Handlungs- bzw. Wechselwirkungsebene,
sehen kritische Sozialphilosophie und moderne Physik die Handlungszusammenhänge der
Menschen bzw. die Wechselwirkungen der Atome mit Blick auf eine vernünftige Einheit
der Gesellschaft bzw. Natur. Die Sicht des (kritischen) Klassikers Einstein dagegen folgt
den allgemeinen Prinzipien der Systemebene, die den Handlungen bzw. den Wechselwirkungen
gleichsam einen vernünftigen Rahmen vorgeben.
Die mit viel Wirbel und Propaganda zur Modernen Physik aufgebauschte Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik machte aus der Not, es nur mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu tun zu haben, die Tugend, dass es sich dabei lediglich um das Wissen handelte, das wir von einem atomaren System haben könnten. Dieses Wissen musste darüber hinaus die gesamte physikalische Situation des Experiments umfassen und garantierte insofern Vollständigkeit. Die Ergänzung der Wissensfunktion als Lösung der Zustandsgleichung durch Teilchenbahnen als Wirkung eines Quantenpotentials wurde damit überflüssig. Der Mathematiker von Neumann brachte die Quantenmechanik 1932 in eine mathematische Form, die bis heute Bestand hat und von den Abweichlern gerne als orthodox bezeichnet wird. Die atomaren Zustände werden darin als Vektoren in einem hochdimensionalen, komplexen Zustandsraum, dem Hilbertraum, dargestellt. Die Messoperatoren werden zu selbstadjungierten Operatoren, die auf die Zustandsvektoren anzuwenden sind, deren Dynamik durch unitäre Transformationen beschrieben wird. Als Wahrscheinlichkeitsmaß fungiert die Summe der Betragsquadrate der Eigenwerte bei der Entwicklung der Zustandsvektoren nach dem vollständigen System von Eigenfunktionen der Messoperatoren. Einem Theorem Gleasons zufolge ist ein solches Wahrscheinlichkeitsmaß sogar das einzig mögliche im Hilbertraum.
Von Neumann verfolgte 1932 mit seiner mathematisch rigorosen Formulierung der
Quantenmechanik aber noch ein weiteres Ziel. Er wollte die Möglichkeit einer Ergänzung
seiner Darstellung durch verborgene Variablen ausschließen. Dazu konnte er innerhalb
seines Formalismus einen strengen mathematischen Beweis führen. Sein Beweis enthielt jedoch
eine wesentliche, physikalisch unsinnige, Voraussetzung und wurde von den Physikern, die
sich die Mühe machten, ihn nachzuvollziehen, nicht ernst genommen. 1935 trat Einstein
wieder auf den Plan. Die Einfachheit und
Reichhaltigkeit seiner Feldgleichungen blieben ihm zeitlebens die weitestgehenden
Annäherungen an die Größe der im Seienden verkörperten Vernunft. Die moderne
Quantenlehre dagegen führte er mit seinen Kollegen Podolsky und Rosen in eine Paradoxie,
indem sich die Autoren fragten: Kann man die quantenmechanische Beschreibung der
physikalischen Wirklichkeit als vollständig betrachten? Folgende Kurzfassung stellten die Physiker
ihrer in den Phys. Rev. veröffentlichten Arbeit voran: In einer vollständigen Theorie
gibt es zu jedem Element der Realität stets ein entsprechendes Element. Eine hinreichende Bedingung
für die Realität einer physikalischen Größe ist die Möglichkeit sie vorherzusagen, ohne
das System zu stören. In der Quantenmechanik schließt im Falle von zwei physikalischen Größen,
die durch nicht-kommutierende Operatoren beschrieben werden, das Wissen von der einen das Wissen
von der anderen aus. Damit ist entweder (1) die Beschreibung der Realität, die durch die
Wellenfunktion in der Quantenmechanik gegeben wird, nicht vollständig oder (2) diesen beiden
Größen kann nicht gleichzeitig Realität zukommen. Die Betrachtung des Problems, Vorhersagen
bezüglich eines Systems auf der Grundlage von Messungen zu machen, die an einem anderen System,
das zuvor mit dem ersteren in Wechselwirkung stand, ausgeführt wurden, führen zu dem Ergebnis,
daß wenn (1) falsch ist, dann auch (2) falsch ist. Man wird so zu dem Schluß geführt,
daß die Beschreibung der Realität, wie sie von der Wellenfunktion geleistet wird,
nicht vollständig ist. Das saß! Die Autoren (EPR) messen die Quantenmechanik (QM) an dem
Realismus, der Lokalität und der Vollständigkeit der SRT. Unter der Voraussetzung des
Realitätskriteriums kann die QM nur entweder nichtlokal oder unvollständig sein.
Die Preisgabe des Realitätsprinzips wäre für Einstein einem
Abgleiten in die unwirklich-illusionäre Theorie von Gespensterfeldern
gleichgekommen. Da er Realismus und Lokalität für unabdingbar hielt, stand die
Quantenmechanik für ihn weiterhin in dem Ruch, unvollständig zu sein.
Kritische Wissenschaftler reflektieren ihr Denken und Handeln und so hat sich auch Einstein
neben seiner fruchtbaren und kreativen Forschungsabeit immer wieder zur Wissenschaftsphilosophie
und Erkenntnistheorie der Physik geäussert.
In seiner Antrittsrede vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften behandelt
Einstein 1914 die Prinzipien der theoretischen Physik. Das Programm der allgemeinen
Relativitätstheorie ist formuliert; der Durchbruch zu einer logisch geschlossenen Form steht
aber noch aus: Die Methode des Theoretikers bringt es mit sich, daß er als Fundament
allgemeine Voraussetzungen, sogenannte Prinzipe, braucht, aus denen er Folgerungen deduzieren
kann. Seine Tätigkeit zerfällt also in zwei Teile. Inspiration beim Finden der Prinzipien
und Transpiration beim Herleiten der Folgerungen. Bei der Suche nach den Prinzipien gebe es
keine erlernbare Methode, die zum Ziele führt. Der Forscher muß vielmehr der Natur
jene allgemeinen Prinzipe gleichsam ablauschen, indem er an größeren Komplexen von Erfahrungstatsachen
gewisse allgemeine Züge erschaut, die sich scharf formulieren lassen. Dazu gehören die Hauptsätze
der Thermodynamik (Energieerhaltung, Entropiezunahme) ebenso wie die Relativitätsprinzipien in
der Elektrodynamik und Gravitationstheorie. In der Quantentheorie dagegen fehle es an Prinzipien:
So unzweifelhaft auch erwiesen ist, daß wir die Wärme auf Molekularbewegung zurückzuführen
haben, so müssen wir heute doch gestehen, daß wir den Grundgesetzen dieser Bewegung ähnlich
gegenüberstehen wie die Astronomen vor Newton den Bewegungen der Planeten. Einstein fahndete
beharrlich nach einer Ebene von Ordnung und Gewissheit, die dem Chaos und der Wahrscheinlichkeit
auf molekularem Niveau unterliegen müsse.
1918 äussert Einstein Prinzipielles zur allgemeinen Relativitätstheorie, indem er drei Hauptgesichtspunkte hervorhebt:
Anlässlich
des 60. Geburtstages Max Plancks äußert er sich in der Festrede zu den Prinzipien der
Forschung. Darin kommt er auf den Beitrag des theoretischen Physikers zum Weltbild zu sprechen
und folgert: Höchste Aufgabe der Physiker ist also das Aufsuchen jener allgemeinen elementaren
Gesetze, aus denen durch reine Deduktion das Weltbild zu gewinnen ist. Zu diesen elementaren
Gesetzen führt kein logischer Weg, sondern nur die auf Einfühlung in die Erfahrung sich
stützende Intuition. Obwohl kein logischer Weg von den Wahrnehmungen zu den Prinzipien
führe, wirke die prästabilierte Harmonie dennoch einschränkend genug, um nicht im Sumpf
der Willkür und Beliebigkeit zu versinken. Von Leibniz zieht er dann den Bogen zu Planck:
Die Sehnsucht nach dem Schauen jener prästabilierten Harmonie ist die Quelle der
unerschöpflichen Ausdauer und Geduld, mit der wir Planck den allgemeinsten Problemen unserer
Wissenschaft sich hingeben sehen. ... Eingedenk der von Planck versuchten Rückführung des
Wirkungsquantums auf die Vakuumfluktuationen der Nullpunktsenergie beschließt
Einstein seine Rede mit dem Appell: Möge es ihm gelingen, die Quantentheorie mit der
Elektrodynamik und Mechanik zu einem logisch einheitlichen System zu vereinigen.
Als Antrittsrede zur Übernahme einer Professur an der Universität Leiden spricht Einstein
1920 über Äther und Relativitätstheorie. 1921 greift er in einer Festrede
anlässlich der traditionellen Geburtstagsfeier für Friedrich den Großen in Berlin unter
dem Titel Geometrie und Erfahrung
das Problem mit der Geometrie in der
Physik auf. 1905 hatte er den Äther in der Elektrodynamik überflüssig gemacht, 1915 dann
aber wieder implizit eingeführt. Denn was war das Medium der Gravitationswellen, der
Raumzeit-Verzerrungen, die durch stark veränderliche Energiedichten hervorgerufen
wurden und sich mit Lichtgeschwindigkeit im Universum ausbreiteten? Die Raumzeit-Metrik
bestimmt dabei zugleich Geometrie und Gravitation und legt damit auch den wechselseitigen
Zusammenhang zwischen Energiedichte und Raumzeit-Krümmung fest. In ungewöhnlich
vager Ausdrucksweise stellt Einstein fest: Der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie
ist ein Medium ohne mechanische und kinetische Eigenschaften, das jedoch die mechanischen und
elektromagnetischen Ereignisse mitbestimmt. Geometrie und Raumzeit waren gleichsam physikalisiert
und in dem allumfassenden physischen Wirkungszusammenhang des Kosmos einbezogen worden. Und so
nimmt es nicht wunder, dass er sich reflektierend fragt: Wie ist es möglich, daß
die Mathematik, die doch ein von aller Erfahrung unabhängiges Produkt des menschlichen Denkens
ist, auf die Gegenstände der Wirklichkeit so vortrefflich paßt. Kann denn die menschliche Vernunft
ohne Erfahrung durch bloßes Denken Eigenschaften der wirklichen Dinge ergründen? Hierauf ist nach
meiner Ansicht kurz zu antworten: Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit
beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die
Wirklichkeit. Einstein schlägt deshalb vor, von der rein axiomatischen Geometrie der
Mathematiker eine praktische Geometrie für Physiker abzugrenzen. Um dies zu bewerkstelligen,
brauche man im Falle der euklidischen Geometrie nur den Satz hinzuzufügen: Feste Körper
verhalten sich bezüglich ihrer Lagerungsmöglichkeiten wie Körper der euklidischen Geometrie von
drei Dimensionen; dann enthalten die Sätze der euklidischen Geometrie Aussagen über das Verhalten
praktisch starrer Körper. Und er folgert: Die so ergänzte Geometrie ist offenbar eine
Naturwissenschaft. Im Gegensatz zum Konventionalismus seiner frühen Phase, hält er
die Frage nach der wahren Geometrie des Universums nunmehr für empirisch entscheidbar.
Ob das nicht genau genommen ein Zirkelschluß sei, der auch nicht durch Verweis auf eine
prästabilierte Harmonie entschärft werden könne, wird unter Wissenschaftstheoretikern
bis heute kontrovers diskutiert. Selbstkonsistenzverfahren stehen dabei der
methodischen Forderung nach einem schrittweisen und zirkelfreien Vorgehen beim Aufbau der
Theorie gegenüber.
Über das Das Raum-, Äther und Feldproblem der Physik hat sich Einstein 1930
im Forum Philosophicum geäussert. Nach einleitenden Bemerkungen, die sich
gegen eine apriorische Auffassung im Sinne Kants wenden, fasst der Physiker seine
Überlegungen wie folgt zusammen: Vom Sinneserlebnis aus betrachtet scheint ... die
Entwicklung des Raumbegriffes an folgendes Schema gebunden zu sein: körperliches Objekt;
Lagebeziehungen körperlicher Objekte; Zwischenraum; Raum. Der Raum erscheint bei dieser
Betrachtungsweise als etwas in demselben Sinne Reales wie die körperlichen Objekte. Obwohl
der Raum als etwas durchaus Reales angesehen werden könne, blieb der Raum im Bewußtsein
der Physiker bis in die jüngste Zeit ausschließlich das passive Gefäß allen Geschehens, das
am physikalischen Geschehen selbst keinen Anteil hatte. Die Kraftwirkungen vermittelte ein
Äther, der den Raum erfüllte und die materiellen Korpuskeln beherbergte: Der
Äther galt nur als Sitz aller über den Raum hinweg sich geltend machenden Kraftwirkungen.
Seitdem man erkannt hatte, daß bewegte elektrische Massen ein magnetisches Feld erzeugen,
dessen Energie ein Modell für die Trägheit abgab, erschien auch die Trägheit als eine im
Äther lokalisierte Feldwirkung. Aber dunkel blieben vorerst die mechanischen Eigenschaften
des Äthers. Unterschied er sich überhaupt vom Raum? Nur Riemanns Genie, unverstanden und
einsam, rang sich schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zur Auffassung eines neuen
Raumbegriffes durch, nach welchem dem Raum seine Starrheit abgesprochen und seine Anteilnahme
am physikalischen Geschehen als möglich erkannt wurde. Im Rahmen der allgemeinen
Relativitätstheorie wurde das metrische Feld dann zum Gravitationsfeld, mit dem der Äther
wieder eingeführt werden konnte. Und so kommt Einstein auch auf den Grundcharakter der
modernen Entwicklung der Theorie zu sprechen: Die Ausgangshypothesen werden nämlich
immer abstrakter, erlebnisferner. Dafür kommt man aber dem vornehmsten wissenschaftlichen
Ziele näher, mit einem Mindestmaß von Hyphothesen oder Axiomen ein Maximum von Erlebnisinhalten
durch logische Deduktion zu umspannen. Denn das mathematische Problem der allgemeinen
Relativitätstheorie bestand darin, die einfachsten Bedingungsgleichungen zu finden, die
invariant unter beliebigen kontinuierlichen Koordinatentransformationen blieben. Die
Reichhaltigkeit der Folgerungen aus diesem einfachen Prinzip ist bis heute nicht ausgeschöpft.
Zur Methodik der theoretischen Physik hat sich Einstein ebenfalls 1930 geäußert. Das Credo seiner Naturphilosophie formuliert er nunmehr folgendermaßen: Nach unserer bisherigen Erfahrung sind wir zum Vertrauen berechtigt, daß die Natur die Realisierung des mathematisch denkbar Einfachsten ist. Und er hält sogar in einem gewissen Sinn für wahr, daß dem reinen Denken das Erfassen des Wirklichen möglich sei, wie es die Alten geträumt haben. Die Quantentheorie läuft seinem reinen Denken allerdings nach wie vor zuwider: Ich glaube noch an die Möglichkeit eines Modells der Wirklichkeit, d.h. einer Theorie, die die Dinge selbst und nicht nur die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens darstellt.
Im März 1936 erscheint in der Zeitschrift The Journal of the Franklin
Institute der Aufsatz Physik und Realität. Im einleitenden Kapitel
Allgemeines über die wissenschaftliche Methode grenzt sich der Kosmologe vom
Psychologen ab, geht aber aus vom gleichermaßen erlebten Alltagsgeschehen: Alle
Wissenschaft ist nur eine Verfeinerung des Denkens des Alltags. Damit hängt es zusammen,
daß die kritische Besinnung des Physikers sich nicht auf die Unterweisung der Begriffe
seiner besonderen Wissenschaft beschränken kann, sondern daß er an der kritischen Betrachtung
des viel schwierigeren Denkens des Alltags nicht achtlos vorbeigehen kann. Auf der Bühne
unseres seelischen Erlebens erscheinen in bunter Folge Sinneserlebnisse, Erinnerungsbilder
an solche, Vorstellungen und Gefühl. Im Gegensatz zur Psychologie beschäftigt sich die
Physik (unmittelbar) nur mit den Sinneserlebnissen und dem ,,Begreifen`` des
Zusammenhangs zwischen ihnen. Aber auch der Begriff der ,,realen Außenwelt``
des Alltagsdenkens stützt sich ausschließlich auf die Sinneseindrücke. Nachdem er die
Begriffsbildungen im Denken von den Empfindungen im Erleben abgegrenzt hat, kommt er auf
die Begreiflichkeit der Welt zu sprechen: Daß die Gesamtheit der Sinneserlebnisse
zu beschaffen ist, daß sie durch das Denken ... geordnet werden können, ist eine Tatsache,
über die wir nur staunen, die wir aber niemals werden begreifen können. Man kann sagen:
Das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit. Erst komme die Intuition,
dann die Wissenschaft; denn die Verknüpfung der elementaren Begriffe des
Alltags-Denkens mit Komplexen von Sinneserlebnissen ist nur intuitiv erfaßbar. Der
Wissenschaft gehe es dann um die logische Einheitlichkeit des Weltbildes wie um
die logische Einfachheit seiner Grundlagen: Ziel der Wissenschaft ist erstens
die möglichst vollständige begriffliche Erfassung und Verknüpfung der Sinneserlebnisse
in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, zweitens aber die Erreichung dieses Zieles unter
Verwendung eines Minimums von primären Begriffen und Relationen. Im Anschluss an eine
Diskussion der physikalischen Grundbegriffe erscheint Einstein dann eines sicher:
Im Fundament einer konsequenten Feldtheorie darf neben dem Feldbegriff nicht der
Partikelbegriff auftreten. Und so fällt sein Urteil über die Quantenmechanik natürlich
wieder abschätzig aus; denn sie sei eine unvollständige Darstellung der wirklichen
Gebilde, wenn auch die einzig zutreffende, welche sich auf die Grundbegriffe materieller
Punkt und Kraft bauen lasse. Abschließend zieht er die Konsequenz: Der Unvollständigkeit
der Darstellung entspricht aber notwendig der statistische Charakter (Unvollständigkeit) der
Gesetzlichkeit.
Weiter mit der Ausarbeitung einer Feldtheorie beschäftigt, die als Fundament der Physik
taugen sollte, scheint Einstein im Mai 1940 zu resignieren. Jedenfalls läßt er den
Ausgang der Kontroverse zwischen den Verfechtern einer kontinuierlich-deterministischen
Feldtheorie und dem Mainstream einer diskontinuierlich-statistischen
Korpuskulartheorie offen. Seinen Aufsatz über Das Fundament der Physik
in der Zeitschrift Science beginnt er mit der Wiederholung seiner Maxime
Ordnung statt Chaos: Wissenschaft ist der Versuch, der chaotischen
Mannigfaltigkeit der Sinneserlebnisse ein logisch einheitliches gedankliches System
zuzuordnen. Nach einer abwägenden Diskussion von Korpuskular- und Feldtheorie gesteht
er sich dann ein, daß wir eine allgemeine theoretische Grundlage der Physik, die man
als logisches Fundament bezeichnen könnte, überhaupt nicht besitzen. Die Feldtheorie
versage in der molekularen Sphäre und die Quantentheorie scheitere an Realismus und
Vollständigkeit. Da bleibt ihm nur mit Lessing der Trost, dass das Streben nach der
Wahrheit köstlicher sei als deren gesicherter Besitz.
Einsteins klassisches Forschungsprogramm wird unterdessen zu einem neoklassischen Programm erweitert. Im Forschungsprogramm der neoklassischen Physik geht es darum, die Prinzipien der klassischen Physik wiederzubeleben und auch die Mikrophysik in natürlicher Weise der Alltagsrationalität zugänglich zu machen. Folgende Parolen könnten als Richtlinien dienen, um zu sehen, wie weit die klassischen Prinzipien zwingend abgeschwächt werden müssen bzw. um zu prüfen, ob sie nicht vielleicht auch überzogen sind:
Gegenwärtig unterfallen folgende drei Theorien dem neoklassischen Programm. Die Bohmsche Mechanik, die stochastische Elektrodynamik und die Quantengravitation (QG). Eine Vereinheitlichung von ART und QFT wird in der Theorie der Quantengravitation versucht. Lee Smolin hat in seiner lesenswerten populärwissenschaftlichen Einführung Three Roads to Quantum Gravity beschrieben, und zwar über die Thermodynamik schwarzer Löcher, die Stringtheorie und die Schleifen-Quantengravitation. Ist die string theory aus den Schwierigkeiten der QFT beim Verständnis der Kernkräfte hervorgegangen, entstammt die loop quantum gravity dem Versuch, die QM im Rahmen der ART zu verstehen. 100 Jahre nach Einsteins berühmter Trilogie zur Klärung der Ungereimtheiten in den physikalischen Theorien seiner Zeit, ist die Situation heute wieder ganz ähnlich. Dem damaligen Bemühen, die Existenz der Atome nachzuweisen und ihre Stabilität zu erklären, entspricht das heutige Ringen darum, die Existenz schwarzer Löcher nachzuweisen und aus ihrer Dynamik das Schicksal des Universums zu erahnen. Aus der Thermodynamk der Brownschen Bewegung zum Nachweis der Atome ist die Thermodynamik schwarzer Löcher geworden, für die Entropie und Wärmestrahlung nachgewiesen wurden. Aus dem Wechselwirkungsbild des Austausches von Bosonen zwischen Fermionen über die Kopplung von Eich- und Materiefeld in der QFT des Standard-Modells ist die supersymmetrische Wechselwirkung von Saiten (strings) hervorgegangen. Die Schwingungszustände geschlossener Strings liefern dabei auch noch die Gravitonen als Quanten des Gravitationsfeldes.
Aber erst mit der loop quantum gravity (LQG) wird wieder das
Einsteinsche Reflexionsniveau der ART nach weitestgehender Koordinatenunabhängigkeit erreicht.
Mathematiker nennen das auch Invarianz unter Diffeomorphismen. In der Stringtheorie ist die
Raumzeit bloß ein fixer Hintergrund, ein passives Gefäß, vor dem oder in dem die wechselwirkenden
Strings ihre Weltflächen gestalten. In der LQG wird die background independence der ART
ernst genommen und die damit verbundene Dynamisierung der Raumzeit mit ihrer Quantisierung verbunden.
Lee Smolin hat kürzlich in einem Übersichtsartikel zum Forschungsstand unter der Frage: How far are we from the quantum theory of gravity? zwei Postulate der LQG formuliert:
Als Hauptergebnis der LQG gilt ihm: The states of the theory are known precisly. The
Hilbert space H hoch diffeo of spacially diffeomorphism invariant states of general relativity
in 3+1 dimensions has an orthonormal basis, whose elements are in one to one correspondence
with the diffeomorphism equivalence classes of embeddings of certain labeled graphs, called
spin networks. Aus der geometrischen Struktur der spin networks auf dem Planck-Niveau
folgt auch die von Beckenstein und Hawking semiklassisch ermittelte Proportionalität zwischen
der Entropie und der Horizontfläche eines schwarzen Loches. So wie die statistische Analyse
der Brwonschen Bewegung auf die Existenz der Atome schließen ließ, steht die Entropie schwarzer
Löcher im Einklang mit der Quantisierung des Raumes durch die spin networks. In Analogie
zum quantisierten Magnetfluss in Supraleitern kann im Rahmen der LQG der durch die spin networks
quantisierte ,,Raumfluss`` verstanden werden. Die ,,Flussströmung``
durch eine Fläche im Raum wird dabei mittels eines Linienintegrals über eine geschlossene Kurve
bestimmt. Daher der Name Schleifen-QG. Da mit jeder Plancklänge von 10 hoch -33 cm ein
,,Raumbit`` verbunden werden kann, steckt in jedem cm hoch 3 die gigantische Information
von 10 hoch 99 bit! Der Flächenanteil von 10 hoch 66 bit läßt den Informationsfluß im Raum beim
,,Planck-Computing`` weit über die schon phantastischen Möglichkeiten des
,,Quantum-Computing`` hinausgehen. Ist vielleicht sogar das ganze Universum ein
gigantischer Computer, der mit den spin networks seines Raumes rechnet so wie wir mit den
Nerven-Netzwerken unseres Gehirns denken? Momentan ist jedenfalls sehr viel Hirntätigkeit
gefragt; denn die Analysen der Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung deuten
darauf hin, dass rund 95% des (erfahrbaren) Universums nichtbaryonisch sind, d.h. nicht aus
Elementarteilchen bestehen wie sie im Standardmodell vorkommen. Damit ist die Situation ähnlich
wie vor 100 Jahren, als die Atome noch unbekannt waren und ihrer Entdeckung harrten.
Neben der kosmischen Erweiterung des Bewusstseins von der Plancklänge (10 hoch -35 m) bis hin zum Rand des Erfahrungshorizonts (10 hoch 28 m) und des neoklassischen Forschungsprogramms, sind es folgende philosophische Fragen die seit Einstein teilweise sogar mit empirisch-analytischen Methoden behandelt werden:
Die Anregung, alle Wissenschaft aus einer Verfeinerung der Alltagspraxis zu entwickeln, hat vom methodischen Konstruktivismus bis hin zum methodischen Kulturalismus geführt, der die kumulative Entwicklung technischer Innovationen zum Maßstab der Kulturhöhe gemacht hat. Dabei sind Handlungs- und Systemebene, Teilchen-Wechselwirkung und Kosmologie, im GPS gleichsam zu einer Synthese empirisch-praktischer und spekulativ-theoretischer Wissenschaft gelangt. Aus dem Zusammenhang von Himmelsbeobachtung und Feldbestellung sowie Seefahrt und Navigation ist über die Jahrtausende das erdumspannende Satellitennetz geworden, das heute den bereits automatisierten Ackerbau und das Reisen per Autopiloten ermöglicht.