Naturwissenschaft

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Naturwissenschaft

Abstrakt das Leben geschieden vom Ganzen

Kraft der Bewegung bleibt Energie

Der Natur Gesetze Invarianzen

Bringen den Formen die Symmetrie

Das Wissen der Macht bis zur Umkehr der Zeit

Doch jenseits der kosmischen Wende

Obwohl die Hitze des Urknalls noch so weit

Des Lebens Lauf findet sein Ende

Schon die alten Geschichten in den Mythen sind der Versuch, unseren Vorfahren die Welt, in der sie lebten, verständlich zu machen. Sie enthalten Grundgedanken und Metaphern, die in der modernen Naturwissenschaft erhalten blieben. Im Anschluß an die Bedeutung der Feuchte im Seelenglauben erkannten die altgriechischen Naturphilosophen das Wasser als Grundprinzip allen Lebens. Die Verwandlungen des Wassers vom Eis über die Flüssigkeit zum Dampf bildeten die Grundlage zur Erkenntnis der Aggregatzustände. Damit sind die Erscheinungsweisen eines Stoffes als fest, flüssig oder gasförmig gemeint. Nicht nur das Wasser, sondern (fast) alle einfachen Stoffe kommen in den verschiedenen Aggregatzuständen vor. Auch die alten Elemente: Erde, Wasser, Luft und Feuer sind als Metaphern der Verwandlung fest-flüssig-gasförmig in Abhängigkeit der Temperatur (des Feuers) zu verstehen.

Stoffe (Materie) und Energien, abstrahiert aus Wasser und Feuer, zeigen sich nur in verschiedener Gestalt. Ihre Grundbestandteile (Elemente bzw. Elementarteilchen) bleiben die gleichen. Die allgemeingültige Umwandelbarkeit von Materie und Energie wurde 1905 von Albert Einstein erkannt. Die Verwandlungen der Feuchte sind zur Metapher der kosmischen Entwicklung geworden: Die Materie ist die Energiegestalt im abkühlenden Universum. Sterne und Galaxien sind die Materieformen der Wechselwirkungen. Und Lebewesen sind die Materiegestalten der Information des genetischen Codes.

Mit dem Entstehen der Lebensformen (Pflanzen, Tiere, Menschen) aus Information zeigt sich ein zweiter Mythos in der modernen Naturwissenschaft. Die kleinste Informationseinheit ist das Bit, eine ja-nein oder wahr-falsch Entscheidung (Alternative). Im Computer werden alle Zahlen, Texte und Bilder auf Bits zurückgeführt. Aus den Rechnungen mit ihnen entstehen alle Bildschirmausgaben. Die Vorstellung von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze ist in vielen Märchen und Religionen überliefert. Die dunkle Nacht verschlingt und gebiert den hellen Tag wie der Wolf die Geißlein. Die weiße Frau (im Brautkleid) heiratet den schwarzen Mann (im Frack). Liebe und Haß regieren das Zusammenleben der Menschen. Anziehung und Abstoßung bestimmen die (elektromagnetischen) Wechselwirkungen der Atome und Moleküle.

Alternativen, wie wahr-falsch, hübsch-häßlich, gut-böse, helfen uns bei der Orientierung in der Welt. Wir halten uns (meistens) an die Wahrheit, folgen dem Hübschen und vermeiden das Böse. Denn nur nach wahren Naturgesetzen gebaute Maschinen funktionieren. Hübsche Menschen ziehen uns an und fördern den Nachwuchs. Böse Taten, wie das Schlagen kleiner Kinder oder das Foltern Andersgläubiger, sind gesetzlich verboten. Denn das menschliche Zusammenleben, die menschliche Gesellschaft überhaupt, ist langfristig nur dann gesichert, wenn die Menschen dem Vernunftprinzip folgen. Schon im altgriechischen Schönheitsideal der Kunst sollten die Orientierungen der Wissenschaft (Logik) und Moral (Ethik) vereinigt sein. Als schön galt die Darstellung des Wahren und Guten. Findest du auch Menschen oder Kunstwerke schön, die Wahrheitsliebe und Güte zu verbinden wissen?

Nach der romantischen Lehre von den Tausend Seelen überlagern sich in unserem Erleben stets viele Stimmungen und Gefühlsweisen. Erst wenn wir uns entscheiden müssen, reduzieren wir unsere diffusen Ahnungen und Neigungen auf zweiwertige Orientierungen. Unser Gehirn geht dabei arbeitsteilig vor. Die Vielfalt der möglichen Überlagerungen entstehen in der rechten, die binären Reduktionen in der linken Hirnhälfte. In der modernen Naturwissenschaft werden die Grundorientierungen von Raum und Zeit nicht aus einer binären Alternative, sondern aus einer kontinuierlichen Überlagerung der Zustände ja-nein gebildet. Eine derartige Überlagerung oder Interferenz wird Quantenbit (qbit) oder Ur genannt. Alle Dynamik ist Wechselwirkung. Und so entsteht die Raumzeit als Netz möglicher Naturbeobachtung aus dem Wechselspiel von 10120 Uren. Jedes Ur basiert auf einem Energiebeitrag von 10-32 eV. Die Urenergie bildet die minimale Unterscheidbarkeitsschwelle, mit der Energie sich in Form zu begeben, bzw. zu informieren vermag.

Nach dem anthropischen Prinzip vermögen wir nur diejenigen Naturgesetze zu erkennen, die nicht im Widerspruch zu den Voraussetzungen unserer eigenen Existenz stehen. Grundvoraussetzung des Lebens ist die Abgrenzung von der Umwelt, die Trennung von Innen und Außen. Die Außenwelt wird unterteilt nach dem was lebensfördernd oder lebensbedrohend ist. Wir sehen die Welt nicht so wie sie tatsächlich ist, sondern unter dem Gesichtspunkt unserer Lebensbedürfnisse! Welche sind das? Nur indem wir von der Vielfalt der Welt absehen, können wir einiges erkennen (abstrahieren). Oft sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht!

Das Abstrahieren erfolgt auf der Grundlage von Wechselwirkungen. Vier elementare Wechselwirkungen hast du bereits kennengelernt. Erinnerst du dich an die Entstehung des Plasmas aus der Explosion? Menschen abstrahieren voneinander mit Bezug auf ihre Austauschbeziehungen (durch Geld) oder Umgangsformen (durch Höflichkeit). Aber nicht nur unser Denken, auch unser Fühlen ist abstrakt! Wenn beispielsweise ein Mensch verliebt ist, reduziert er seinen Mitmenschen auf einige für sich wesentliche Eigenschaften (der Sexualität). Diese Abstraktion bemerken aber nur die Außenstehenden: Liebe macht blind! Die Vielfalt der Sinneseindrücke, die uns Augen und Ohren vermitteln, sind für uns unwirklicher als die Einfalt des Denkens und Fühlens! Was unser Handeln und Verhalten primär bestimmt, ist das Bild, das wir uns von der Welt machen, nicht die Welt selbst!

Schon die alten Griechen machten aus diesem Erleben eine Philosophie. Sie wird Idealismus oder Noologie genannt (nach den griechischen Wörtern idea und nous). Wirklich sind in der Wissenschaft vom Geist (Noologie) nur die ideellen oder geistigen Dinge, wie mathematische Figuren oder moralische Werte. In den Erscheinungen des Kosmos verbergen sich als Wesen die Symmetrien mathematischer Formen. Die (vollkommene) Symmetrie eines Kreises läßt sich auch als Ununterscheidbarkeit (Invarianz) aller seiner Punkte mit Bezug auf den konstanten Abstand zum Mittelpunkt ausdrücken. Im Gegensatz zum Kreis bleibt ein Quadrat ununterscheidbar, wenn es um 90 Grad gedreht wird. Symmetrien können also durch Ununterscheidbarkeits-Forderungen ausgedrückt werden. Die Forderung, daß sich die Naturgesetze nicht mit dem Bewegungszustand der Körper ändern sollen, bildet das Grundprinzip der Einsteinschen Relativitätstheorie. Aus ihm folgt die Umwandelbarkeit von Energie und Materie! Wie ist das zu verstehen?

Energie äußert sich als Bewegung von Elementarteilchen. In Gestalt der Materie ist die Energie lediglich räumlich begrenzt. Die Umkehrbarkeit der physikalischen Zeit aller elementaren Wechselwirkungen im All ist gleichbedeutend mit der Energieerhaltung: Die Energie des Universums ist konstant. Sie kann weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur umgewandelt werden. Denn nur wenn der Energieinhalt der Teilchenbewegung in positiver Zeitrichtung vollständig für die Rückzeit in negativer Richtung verfügbar ist, kann das Teilchen seinen Ausgangszeitpunkt wieder erreichen. Demgegenüber geben die Teilchen im vom Ganzen (räumlich) isolierten Bereichen Energie an ihre Umgebung ab, die für den Rückweg nicht mehr zur Verfügung steht. Für die Gestalten des Lebens gilt die Zeitumkehrbarkeit nicht. Denn sie existieren im Gegensatz zu den Elementarteilchen nur aufgrund der Abgrenzung vom Ganzen, der Trennung von Innen und Außen. Unsere erlebte psychologische Zeit hat die Richtung der kosmischen Ausdehnung. Sie pulsiert im Rhythmus des Stoffwechsels. Mit der kosmischen Wende wird sich die kosmologische Zeit umkehren. Damit werden alle (alten) Lebensformen aussterben, neue aber wieder entstehen können ...

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