Drei Großereignisse bilden die Epochenschwelle zwischen Mittelalter
und Neuzeit: Die Entdeckung Amerikas
sowie
Renaissance
und
Reformation
. Im Zuge der
Entdeckungsreisen erblühte der Handel und schuf den Reichtum für
die Industrialisierung. Das durch Geld und Wissen an die Macht gelangte
Bürgertum wurde zum Wegbereiter des Kapitalismus. Die
Künstler-Ingenieure der Renaissance schufen durch die Verbindung
von Philosophie und Arbeitserfahrung eine neue Wissenschaft. Diese
experimentelle Philosophie der Ingenieure und Naturforscher ist
der Motor des technischen Fortschritts.
Mit der Reformation spaltete sich das Christentum. Verschwendung und
Prunksucht der Päpste und Monarchen wichen der individuellen
Heilserwartung genügsamer Protestanten. Wirtschaftliche Betriebsführung,
experimentelle Philosophie und protestantische Ethik rationalisierten
fortan die Lebensverhältnisse in Europa und Nordamerika. Mit dem
Autoritätsverlust der Kirche verblaßte die Aura der Kunst und die
Verbindlichkeit der Moral. Was blieb, war der Mut des Aufklärers, sich
seines eigenen Verstandes zu bedienen. Die Selbstbegründung der Vernunft
aus dem autonom gedachten bürgerlichen Bewußtsein ist bis heute das
Problem der Moderne geblieben.
Vier Modernisierungsprozesse prägen den Verlauf der Moderne:
Verweltlichung, Verwissenschaftlichung, Industrialisierung und
Demokratisierung. Die Verweltlichung entzaubert die Natur und
untergräbt die Mythen und Religionen. Sie hat in Verbindung mit der
Verwissenschaftlichung
zu einem physikalischen Weltbild von faszinierender Komplexität und
Reichweite geführt. Die auf einfache Weltdeutungen angewiesene Masse aber
in eine Sinnkrise gestürzt. Scharlatane, Sekten und Aberglaube haben
Konjunktur. Die von Wissenschaft und Technik vorangetriebene
Industrialisierung drückt bereits der gesamten Erde ihren
Stempel auf. Die Natur wurde in Reservate verdrängt. Zugleich wüten
Unfälle
und
Naturkatastrophen
immer verheerender
unter Menschen, Tieren und Pflanzen. Im Zuge der Demokratisierung sind
zwar Adel und Klerus entmachtet worden. Wirtschaft und Technik aber werden
nach wie vor technokratisch von Managern und Experten beherrscht. Diese
Zweischneidigkeit der Modernisierungsprozesse, mit der Rationalisierung
auch die Unvernunft, mit der Freiheit auch die Unterdrückung zu fördern,
haben Horkheimer und Adorno als Dialektik der Aufklärung thematisiert.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Diskrepanz zwischen den bürgerlichen Ansprüchen der Vernunft und den proletarischen Elendsverhältnissen der Massen immer offensichtlicher. So wie heute angesichts der ökologischen Katastrophe stellten sich damals konfrontiert mit dem sozialen Elend viele Zeitgenossen die Frage, ob nicht der Aufbruch in die Moderne insgesamt gescheitert sei? Rechte Kritiker diagnostizierten damals wie heute einen allgemeinen Kultur- und Sittenverfall, dem durch Rückbesinnung auf religiöse- und kulturelle Werte begegnet werden müsse. Demgegenüber erstrebten linke Sozialreformer eine Vollendung der Aufklärung und forderten die bürgerlichen Ideale für alle ein. Im Zuge der Globalisierung hat der Konflikt gegenwärtig Weltniveau erreicht. Zwischen beiden Lagern schreitet mit einem nie dagewesenen Ungestüm der technische Fortschritt voran. Ihm gegenüber erlahmt zunehmend das demokratische Gestaltungsvermögen. D.h. Wissenschaft und Technik rationalisieren mehr und mehr alle Lebensbereiche. In dieser Allmacht der wissenschaftlich-technischen Rationalität wittern postmoderne Kritiker wieder den Dogmatismus einer Religion. Das in der Moderne auf die instrumentelle Vernunft der Technologien reduzierte Gestaltungsvermögen der Menschen sei vielmehr aus den Künsten heraus neu zu entfalten. Kunst statt Technik lautet das Motto.