In der kontinental-europäischen Philosophie dominiert bis heute der Personenkult.
Platon
und Aristoteles
,
Kant und Hegel haben bereits alle philosophischen Probleme
thematisiert: interpretieren wir sie! Hermeneutiker, Phänomenologen,
Transzendental- und Existenzphilosophen unterhalten je für sich einen
hermetischen Diskurs des Geistes, der in aristokratischer Arroganz auch
noch stolz darauf ist, sich frei von den Niederungen des Alltags und der
Wissenschaften zu bewegen.
Philosophen sind aber nicht nur unermüdliche
Wiederkäuer der Geistesgeschichte, sie arbeiten auch in Lagern. Da streiten sich
Materialisten und Idealisten, Realisten und Anti-Realisten, kritische Rationalisten
und Sprachphilosophen, Konstruktivisten und Dekonstruktivisten, Modernisten und
Postmodernisten. Auch die pragmatisch und sprachanalytisch geprägten
anglo-amerikanischen Philosophen dieses Jahrhunderts sind unterdessen zu
Lagerverwaltern verkommen. Der Graben zwischen Modernisten und Postmodernisten
ist breiter denn je. Eine derart im Lagerdenken zersplitterte und zurückgewandt mit
sich selbst beschäftigte Philosophie verliert zunehmend an Bedeutung. Und das
in einer Zeit, in der im Fortgang der wissenschaftlich-technischen Zivilisation
ein übergreifendes Orientierungswissen jenseits der Lager und Personen
besonders wichtig wäre.
Nun kann man natürlich innerhalb der pluralistischen westlichen Gesellschaft die Vielfalt der Meinungen als demokratische Errungenschaft preisen. Eine Kehrseite dieser freien Polydoxie ist allerdings die allerorten um sich greifende dogmatische Monodoxie. Stammesnationalismus und religiöser Fundamentalismus, Patriotismus und Rassismus sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Perspektive einer freien Monodoxie, wie sie in der neuzeitlichen Naturwissenschaft gegen religiösen Dogmatismus und aristokratische Herrschaft durchgesetzt wurde, gilt es auch in Zukunft wach zu halten. Jenseits aller modischen Relativismen einer Sprachabhängigkeit der Erfahrung, eines Gesellschaftsbezugs auf die scientific community oder einer historischen Beliebigkeit wechselnder Paradigmen und Inkommensurabilitäten, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik, wie Denkhorizonte stetig erweitert und Lebensverhältnisse kontinuierlich verbessert werden konnten. Mögen die Philosophen weiterhin auf der Stelle treten; Naturwissenschaft und Technik schreiten mit Ungestüm voran. Machen wir es der Philosophie zur Aufgabe, wissenschaftsnah die Anfänge, Zusammenhänge und Fortführungen des Wissens und der Technik zu bedenken! Die Philosophie könnte nicht nur von den Wissenschaften profitieren, sondern auch umgekehrt orientierend auf sie zurückwirken.