Franz Embachers Unterrichtskonzept zur Quantentheorie
 

Im Folgenden wird ein Konzept vorgestellt, wie eine zeitgemäße Einführung in die Quantentheorie aussehen könnte. Die ersten 7 Kapitel sind in Form eines Textes, der die Darstellung der relevanten Inhalte zusammenfaßt und sich sprachlich an SchülerInnen richtet, ausformuliert worden. Der Einstieg erfolgt im Wesentlichen über das Licht und das Verhalten einzelner Photonen. Eine einfache Versuchsanordnung (Mach-Zehnder-Interferometer) erlaubt erstaunlich tiefgehende Einsichten. Ohne weitere Vorbereitung kann dann anhand des Elitzur-Vaidmann-Bombentest-Experiments darauf eingegangen werden, daß die Begriffe Information, Kausalität und Lokalität  in Quantensystemen in unerwarteter Weise problematisch werden. Dieser Zugang erlaubt es, viel tiefer - und bis zum Begriff der Quanteninformation praktisch ohne Rechnung! - in die eigentliche Natur von Quantenphänomenen einzudringen und auf die in der modernen Forschung geführten Debatten einzugehen, als dies im traditionellen Quantentheorie-Unterricht der Fall ist.
 

1. Erinnerung: Interferenz-Experimente lassen vermuten: Licht ist eine (elektromagnetische) Welle

"Licht ist eine Welle". Das ist im Wesentlichen der Standpunkt des 19. Jahrhunderts. Er ist voll ausformuliert in den "Maxwellschen Gleichungen", die zu den wichtigsten Meilensteinen der klassischen Physik gehören. Was "schwingt" bei einer elektromagnetischen Welle? Die beiden fundamentalen Felder dieser Theorie (das elektrische und das magnetische), die ihre physikalische Natur direkt durch ihre Wirkungen auf Ladungen offenbaren. In einer ebenen Welle stehen diese beiden Felder normal zur Ausbreitungsrichtung (und das elektrische normal zum magnetischen). Das führt zum Begriff der Polarisation (die bei der prinzipiellen Diskussion von Wellenvorgängen oft vernachlässigt werden kann).
Zwei auf einen Schirm fallende Lichtwellen können interferieren (d.h einander überlagern), weil ihre Felder einfach addiert werden. Zeigt etwa in einem Punkt des Raums das elektrische Feld der einen Teilwelle nach oben, das der anderen nach unten, und haben beide denselben Betrag, so ist das resultierende elektrische Feld in diesem Raumpunkt Null. Trifft dasselbe auch für die magnetischen Felder zu (etwa: eines zeigt nach rechts, eines nach links), so findet in diesem Punkt vollständige Auslöschung ("destruktive Interferenz") statt. Analog können zwei Teilwellen einander maximal verstärken ("konstruktive Interferenz"). Wird die Polarisation außer acht gelassen, so herrschen ähnliche Verhältnisse wie für Oberflächenwellen einer Flüssigkeit (Wellenwanne).
 

2. Licht besteht aus Teilchen, den Photonen

"Licht besteht auf Photonen". Das ist der Standpunkt, der zu Beginnn des 20. Jahrhunderts (vor allem von Max Planck und Albert Einstein) entwickelt wurde. Belichtet man einen Film bei sehr geringer Intensität, so besteht das Bild aus einzelnen belichteten Punkten, nicht aus einer kontinuierlichen Helligkeitsverteilung. Das Licht besteht also offenbar aus Teilchen. Man nennt sie Photonen oder Lichtquanten. Heute ist es technisch möglich, einzelne Photonen zu erzeugen.

Die Bezeichnung Teilchen ist wörtlich zu nehmen: Wann immer versucht wird, den Ort eines Photons zu messen - also, indem man ihm einen photographischen Film oder Ähnliches in den Weg stellt - , so trifft es irgendwo auf dieser Fläche auf. Diese Eigenschaft von Licht ist in Beschleunigeranlagen untermauert worden. Bis heute gibt es keine experimentellen Hinweise darauf, daß ein Photon eine innere Struktur hat, daß es also nicht als "Punkt" beschrieben werden könnte. In diesem Zusammenhang tritt eine neue Naturkonstante auf - das  Plancksche Wirkungsquantum h : Licht der Frequenz  f  besteht aus Photonen der Energie E = h f . (Wir benötigen diese Beziehung  fürs erste nicht). Dabei ist aber die Vorstellung, bei einem Photon handle es sich um eine ausgedehnte Welle dieser Freuqenz (und der entsprechenden Wellenlänge l = c/f ) innerhalb eines kleinen Raumgebiets (ein "Wellenpaket"), definitiv falsch. (Denn dann müßte ein auf einen Schirm fallendes Photon einen ausgedehnten Fleck bewirken, was nach dem gegenwärtigen Stand unseres experimentellen Könnens nicht beobachtet wird).
 

3. Was interferiert?

Damit besteht aber ein Dilemma: wie kommen die für Licht in zahllosen Situationen beobachteten Interferenzerscheinungen zustande? Eine dunkle Stelle in einem Interferenzbild bedeutet, daß nur wenige Photonen dort aufgetroffen sind, eine helle Stelle bedeutet, daß viele Photonen dort aufgetroffen sind. Eine einfache Versuchsanordnung verdeutlicht das Problem:

 

 
Diagramm 1

Ein Lichtstrahl wird (durch einen halbdurchlässigen Spiegel) in zwei Teilstrahlen aufgespalten und wieder (mit Hilfe zweier normaler und eines weiteren halbdurchlässigen Spieles) zusammengeführt. Die in die Belichtungsmesser fallenden Strahlen bestehen jeweils aus zwei zusammengeführten Teilstrahlen. Soweit, so gut.

Nun ist das Diagramm 1 nicht ganz richtig gezeichnet. Es suggeriert, die beiden Belichtungsmesser würden jeweils Licht gleicher Intensität empfangen. Eine einfache Überlegung zeigt, daß das nicht der Fall ist: Für die beiden in den Belichtungsmesser 2 fallenden Teilstrahlen herrschen jeweils identische Bedingungen. Beide (jener, der den oberen Weg und jener, der den unteren Weg genommen hat) sind einmal "nach links" und danach "nach rechts" reflektiert worden. Nach Durchtritt des zweiten halbdurchlässigen Spiegels sind sie in Phase. Sie interferieren konstruktiv, d.h. sie addieren einander, so als ob sie nie getrennt worden wären. Belichtungsmesser 2 empfängt also Licht derselben Intensität wie sie der in die Apparatur einfallende Strahl hatte. Daher bleibt für Belichtungsmesser 1 nichts mehr übrig, denn die gesamte Intensität kann sich nicht vergrößert haben. Die beiden in Belichtungsmesser 1 fallenden Strahlen müssen einander also auslöschen!

Mit einem Wort: In den Belichtungsmesser 1 fällt überhaupt kein Licht, während Belichtungsmesser 2 die Intensität des einfallenden Strahls mißt. (Eine derartige Anordnung wird als Mach-Zehnder-Interferometer bezeichnet. Sie wird in der Praxis etwa dazu benützt, um kleinste Dichteunterschiede in Medien zu messen. Dazu bringt man das zu untersuchende Medium in einen der beiden Strahlengänge, wodurch die Symmetrie, die für die beiden in den Belichtungsmesser 2 fallenden Teilstrahlen zerstört wird. Die daraus folgende Veränderung der gemessenen Licht-Intensitäten gibt Aufschluß über die Eigenschaften des Mediums).

Das Diagramm, das unsere Versuchsanordnung schematisch darstellt, müßte also eigentlich so gezeichnet werden:

 

 
Diagramm 2
 

Wie kommt nun die Auslöschung des Lichts beim Belichtungsmesser 1 physikalisch gesehen zustande? Wenn das Licht als eine Welle angesehen wird, ist das einfach zu erklären: Die in den Belichtungsmesser 1 fallenden Teilstrahlen haben durch den Versuchsaufbau gegeneinander eine Phasendifferenz von einer halben Wellenlänge erfahren, während die in den Belichtungsmesser 2 fallenden Teilstrahlen in Phase schwingen. Das ist die Erklärung, die im 19. Jahrhundert vorgebracht worden ist. Nun besteht das Licht allerdings aus Teilchen, und so erhebt sich die Frage, was sich hier auslöscht! Um dieses Dilemma noch klarer zu fassen, können einzelne Photonen in die Apparatur geschossen werden (wobei die Belichtungsmesser durch Detektoren ersetzt werden, die imstande sind, einzelne Photonen nachzuweisen und mit einem Klicken zu melden):

 

 
Diagramm 3

Das experimentelle Ergebnis ist eindeutig: auch ein einzelnes Photon trifft immer auf den Detektor 2. Die zahlreichen Photonen, aus denen ein heller Lichtstrahl besteht, tun also offensichtlich unabhängig voneinander alle dasselbe. Umso rätselhafter ist also das Ausbleiben von Photonen, die der Detektor 1 registrieren würde. Woher "weiß" ein einzelnes Teilchen, daß es den Weg in den Detektor 1 nicht nehmen kann? Um noch mehr über das Verhalten der Photonen herauszufinden, kann die Anordnung ein bißchen aus dem Lot gebracht werden, etwa so:
 

 

Die Spiegel können nachträglich immer richtig positioniert werden. Die Auslöschung im Belichtungsmesser 1 wird dadurch gestört. Man könnte die Strahlengänge etwa so einstellen, daß die von beiden Belichtungsmessern erfahrenen Lichtintensitäten im Verhältnis 70 : 30 stehen. Schießt man wieder einzelne Photonen in die Apparatur, so wird jedes Photon immer nur von einem der beiden Detektoren registriert werden. Wird das Experiment oft wiederholt, so wird die Zahl der Detektorklicks im Verhältnis 70 : 30 stehen. Wenn nun aber die einzelnen Photonen voneinander unabhängig sind, so läßt dies die Vermutung zu, beim Verhältnis 70 : 30 handelt es sich um Wahrscheinlichkeiten für ein einzelnes Photon, auf einen der beiden Detektoren zu treffen. Ist die "Lichtwelle" eine bloße Wahrscheinlichkeit für das Tun und Lassen einzelner Photonen? Und heißt das, daß sich einzelne Photonen nicht streng deterministisch verhalten, d.h. daß das zukünftige Verhalten eines gegebenen Photons nicht exakt vorausgesagt werden kann?

Die hier behandelte einfache experimentelle Interferometer-Anordnung  ist nur ein Spezialfall einer allgemeineren Eigenschaft von Teilchen. In modernen Experimenten der Atom- und Teilchenphysik stößt man immer wieder auf ähnliche Situationen, sodaß es sich um eine Frage von fundamentaler Bedeutung für unser Wissen über die Natur handelt.

 
4. Das Zusammenspiel von Welle und Teilchen

Fragen wir nicht nach dem "Warum", sondern nach dem "Wie", so läßt sich das Verhalten der Photonen in folgender Weise beschreiben:

Postulat (Quantentheorie des Lichts):

Ergänzung:

So ergibt sich ein einheitliches, neuartiges Bild der Natur. Der gemeinsame Name für Versuche, physikalische Vorgänge auf eine derartige Weise zu beschreiben, heißt "Quantentheorie", und die in der Physik bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts geltenden Anschauungen heißen "klassisch". Die Welle, von der die Rede ist, wird als Wahrscheinlichkeitswelle oder Wellenfunktion bezeichnet (obwohl vielleicht der Ausdruck Möglichkeitswelle am besten charakterisiert, was gemeint ist), und das allgemein dafür verwendete Symbol ist y (Psi). Zur Zeit der Entdeckung dieser Phänomene, die sich vor allem im Bereich des Mikrokosmos in aller Schärfe zeigen, waren die Physiker noch stark verunsichert. Mittlerweile hat sich der Standpunkt durchgesetzt, daß alle Naturphänomene derartigen Gesetzen genügen, und die Studierenden der Physik lernen von Anfang an, in "Quantenbegriffen" zu denken. .
 
Exkurs: Was ist ein Postulat, was ist eine Theorie?

Es wurde viel Anstrengung darauf verwendet, Auswege zu suchen, die Vorgänge wie den oben besprochenen Interferometerversuch in streng deterministischen Modellen zu beschreiben.

Diskussion: Wie kann man das Verhalten der Photonen sonst noch erklären?

Sie sind im Großen und Ganzen fehlgeschlagen. Die Quantentheorie hat die größte Umwälzung der Physik in ihrer Geschichte gebracht, und sie ist wohl auch (vielleicht zusammen mit der Relativitätstheorie) die erfolgreichste aller physikalischen Theorien. Wir werden im Folgenden einige ihrer Züge - in vereinfachten Situationen wie der obigen Interferometer-Versuchsanordnung - besprechen.
 

5. Unbestimmtheit

Die bisher gewonnene Theorie hat weitreichende Konsequenzen. Kehren wir zurück zu dem in Diagramm 2 dargestellten Experiment. In der klassischen Physik findet zwischen den beiden auf den Belichtungsmesser 1 zulaufenden Teilwellen Auslöschung statt.  An die Stelle des klassischen Feldes tritt nun die Möglichkeitswelle, und wir konstruieren sie genauso, wie zuvor die Lichtwelle ermittelt wurde. Insbesondere besitzt sie dieselbe Wellenlänge, sodaß die auf den Detektor 1 zulaufenden Teilwellen einander auslöschen (und die auf den Detektor 2 zulaufenden Teilwellen einander maximal verstärken). Die roten Linien in den Diagrammen symbolisieren also in der klassischen Physik die Lichtwelle, in der Quantentheorie die Möglichkeitswelle. Da nun in Summe keine Welle im Detektor 1 ankommt, ist auch die Wahrscheinlichkeit für ein einzelnes Photon, dort registriert zu werden, Null. Die Voraussage lautet daher: "Alle Photonen werden von Detektor 2 registriert" - in Übereinstimmung mit dem experimentellen Beobachtungsresultat.

"Quantensysteme" verhalten sich seltsam. Woher "kennt" das Photon das Verhalten der Wahrscheinlichkeitswelle? Woher "weiß" es, daß beim Detektor 1 die Auslöschung zweier Teilwellen statffindet? Wenn es nur einen der beiden möglichen Wege (den oberen oder den unteren) genommen hat, woher "weiß" es, daß der andere auch möglich gewesen wäre (daß also dort kein Hindernis im Weg steht)? Nur dieses Möglich-Sein des anderen Weges erlaubt es den Möglichkeits-Teilwellen, einander auszulöschen. Ist etwa im oberen Strahlengang ein Hindernis, so hat auch der Strahlengang einen anderen Verlauf:

 

 
 
Diagramm 4

Ein Hindernis zerstört also die Auslöschung, sodaß nun beide Detektoren (mit gleicher Wahrscheinlichkeit) das Photon registrieren können. Daher kann es nicht sein, daß ein Photon einfach den unteren Weg nimmt und sich um sonst nichts kümmert! Und genauso ist es mit dem oberen Weg, denn es könnte ja der untere versperrt sein. Es ist so, als ob das Photon beide Wege genommen hätte! Kann man die Frage experimentell entscheiden?

Diskussion über diese Frage.

Die Antwort lautet "nein", denn jeder weitere Detektor in einem Strahlengang, der versucht, den eingeschlagenen Weg herauszufinden, stört die Auslöschung der Teilwellen beim Detektor 1 und entspricht eher einem Hindernis wie im Diagramm 4. Auf eine unseren Anschauungen schwer begreifliche Weise hängen die Detektorklicks von den Verhältnissen auf beiden Wegstrecken ab. Ist ein Weg versperrt, so können beide Detektoren das Photon (mit gleicher Wahrscheinlichkeit) registrieren, sind beide Wege offen, so wird es immer im Detektor 2 ankommen! In diesem letzten Fall scheint dem von einem einzelnen Photon eingeschlagenen Weg also gar keine "objektive Realität" zuzukommen. Nicht nur ist er uns prinzipiell verborgen - d.h. der Messung unzugänglich -, es scheint ihn gar nicht "zu geben"! Man spricht dabei von einer quantentheoretischen Unbestimmtheit. Neuere Experimente haben die Vermutung untermauert, daß derartigen Alternativen (oberer Weg - unterer Weg) tatsächlich keine "objektive Realität" zukommt, d.h. daß es sich dabei nicht bloß um Unkenntnis handelt, sondern um ein echtes Nicht-Festgelegt-Sein! Dafür gibt es sogar ein eigenes Wort: ein Photon nimmt virtuell beide Wege. Ein virtueller Prozeß ist einer, in den man nicht durch Messung eingreifen kann, ohne ihn zu zerstören, über den man also durch Beobachtung nichts erfahren kann. Man sagt auch manchmal, der Zustand des Systems ist eine Superposition (was soviel heißt wie "Überlagerung") der beiden Möglichkeiten "das Photon nimmt den oberen Weg" und "das Photon nimmt den unteren Weg".

Wir müssen die Frage, welchen Weg ein bereits registriertes Photon genommen hat, auf diese seltsame Weise offenlassen!

Man kann übrigens an dieser Stelle bereits erkennen, warum die Quantentheorie vor allem im Mikrokosmos bedeutsam ist und sich in unserer makroskopischen Alltagswelt nicht auf Anhieb zeigt: Um eine experimentelle Interferometer-Anordnung wie die oben besprochene tatsächlich zu realisieren, müssen die beiden Lichtwege extrem gut gegenüber äußeren Einflüssen abgeschirmt werden. Selbst ein einziges zusätzliches Photon, das einen Strahlengang kreuzt, kann als Hindernis auftreten und eine der beiden Teilwellen unterbrechen. Nun ist unsere Welt aber von Photonen übersät: jeder Körper einer bestimmten Temperatur emittiert elektromagnetische Wärmestrahlung - also Photonen! Diese würden auf die Versuchsanordnung wie das Hindernis im Diagramm 4 wirken und die Interferenz der Teilwellen unterdrücken. Die unvermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung, und seien es nur die Photonen der Wärmestrahlung, wird heute von den meisten Quantentheoretikern als der Grund dafür angesehen, daß sich Quantenphänomene nicht (oder nur selten) an makroskopischen Objekten zeigen, warum unsere Alltagswelt also "klassisch" erscheint, obwohl die Natur insgesamt mit Hilfe einer Quantentheorie beschrieben wird. Interferenzerscheinungen können hingegen in sehr kleinen Raumgebieten, etwa innerhalb von Atomen, ungestört stattfinden. Im Allgemeinen ist es nur unter erheblichem Aufwand und versierter Experimentierkunst  möglich, Quantenzustände, wie jenen in unserer Versuchsanordnung, über makroskopische Distanzen aufrechtzuerhalten. (Ausnahmen sind die sogenannten "makroskopischen Quantenzustände", von denen die bekanntesten die Supraleitung, die Superfluidität und der Laser sind).
 

6. Denken und Sprechen über die Quantentheorie

Die hier besprochene Situation stellt auch PhysikerInnen immer wieder vor das Problem, wie am besten über die Quantenwelt nachgedacht und gesprochen werden soll. Unsere althergebrachte Art des Schließens und Argumentierens wird auf eine harte Probe gestellt. Wie wir an der Unbestimmtheit des von den einzelnen Photonen eingeschlagenen Weges sehen können, erhalten die Begriffe  "und " und "oder" eine neue Bedeutung. Einander (nach klassischem Verständnis) ausschließende Alternativen können auf  "virtuelle" Weise beide zu einer Beobachtung "beitragen". Dennoch bedeutet die Quantentheorie nicht das Ende jeglicher Logik. Sie will ja schließlich Bestandteil der Physik sein, und gewisse Grundzüge aller physikalischer Theorien (vor allem das Erstellen überprüfbarer Vorhersagen) bleibt auch hier gültig.

Die Quantentheorie steht im Ruf, einen hochgezüchteten mathematischen Apparat zu benützen, der Nicht-Eingeweihten kaum zugänglich ist. Das stimmt zwar, aber dieser Apparat dient vor allem dazu, Wahrscheinlichkeiten für mögliche Beobachtungsresultate zu berechnen. In der einfachen Situation, die wir bisher diskutiert haben (ein  Photon im Interferometer) sind die auftretenden Wahrscheinlichkeiten aber bereits im voraus eingestellt worden - durch die Auslöschung der Teilwellen bei Detekor 2. Es gibt also hier nichts weiter zu rechnen, und so können alle, die das Problem ernstnehmen, darüber nachdenken und diskutieren.

Spezialisten haben verschiedene Auswege aus dieser Situation entwickelt. Die beiden Extrempositionen sind:

Diskussion über die Meinung der SchülerInnen hierüber.
 

7. Quanteninformation

Wir haben die Skala an seltsamem Verhalten von Quantensystemen noch nicht ganz ausgelotet. Man könnte sich damit zufriedengeben, daß gewisse Dinge, die vor einer Messung passiert sind (z.B. der von einem Photon genommene Weg) prinzipiell unbestimmt sind, und daß die darauf gerichteten Fragen nicht gestellt werden. Damit verzichtet man aber auf den Genuß weiterer faszinierender, exotisch anmutender Eigenschaften der Mikrowelt. So werden grundlegende Begriffe der klassischen Physik wie Kausalität und Lokalität durch sie erschüttert. Es ist nicht schwer, das einzusehen. Wir können dazu die oben besprochene Apparatur verwenden.

Die wahrscheinlich einfachste Art, die erstaunlichen Auswirkungen von Quantenphänomenen einzusehen, wurde erst im Jahr 1983 - zunächst als Gedankenexperiment - von A. C. Elitzur und L. Vaidmann angegeben. (Das zeigt übrigens, daß auch die professionellen Physiker viele Jahrzehnte lang den alten Anschauungen verhaftet waren). Sie ist in eine etwas plakative Geschichte eingebaut: Stellen wir uns vor, wir hätten einen Vorrat an Bomben einer extrem sensiblen Bauart. Jede Bombe hat einen Zünder, der die Explosion auslöst, sobald ihn auch nur ein einziges Photon trifft. Über diesem Zünder ist eine Schutzkappe angebracht, die verhindert, daß die Bomben beim ersten zufälligen Eintreffen eines Photons explodieren. Nun ist aber bei der Produktion der Bomben ein Malheur passiert: einige haben überhaupt keinen Zünder, sondern nur die Schutzkappe - sie sind also nicht zu gebrauchen . Alle Bomben sehen von außen gleich aus, nur manche haben unter der Schutzkappe einen Zünder, andere nicht.

Haben wir prinzipiell die Möglichkeit, von zuminderst einigen Bomben festzustellen, daß Sie einen Zünder haben? Wir wollen das natürlich tun, ohne sie durch eine Expolsion zu verlieren! Im Bereich der klassischen Physik ist das nicht möglich: Um nachzu-sehen, ob eine Bombe einen Zünder besitzt, müssen wir sie an-schauen, und dazu müssen wir zumindest ein Photon verwenden, das zuerst den Zünder trifft und dann in ein Auge (oder einen Detektor) fällt.

Die Quantentheorie gibt uns erstaunlicherweise eine Möglichkeit, Bomben mit Zünder zu finden, und diese ist recht einfach: wir plazieren eine zu testende Bombe in den oberen Strahlengang unseres Interferometers (und nehmen an, daß der Test ansonsten im absolut Dunkeln stattfindet, so daß keine weiteren Photonen ihn stören können):
 

 
 
 
Diagramm 5
 

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Bombe hat keinen Zünder. Dann ist der obere Weg frei, bei Detektor 1 findet die Auslöschung der beiden Teilwellen statt, und das Photon wird immer in den Detektor 2 treffen. Oder die Bombe hat einen Zünder. Dann ist der obere Weg versperrt, und der Zünder spielt die Rolle eines weiteren Detektors. Das ist genau die Situation von Diagramm 4. Nun können (mit gleicher Wahrscheinlichkeit) zwei Dinge passieren: Entweder die Bombe explodiert, oder sie explodiert nicht. Im zweiten Fall kann das Photon (wieder mit gleicher Wahrscheinlichkeit) in einen der beiden Detektoren treffen.

Insgesamt kann also beim Bombentest folgendes passieren:

Statistisch gesehen, explodiert die Hälfte der Bomben mit Zünder, während ein Viertel unentdeckt bleibt. Vom verbleibenden Viertel werden wir wissen, daß sie einen Zünder hat. Formal gesehen ist das die Lösung des Problems.

So gut, so schön.

Wer hartnäckig ist, betrachtet eine der entdeckten Bomben mit Zünder nachdenklich und fragt: Woher wissen wir eigentlich wirklich, daß der Zünder unter der Schutzkappe exitiert? Wir wissen es sicher nicht von einem Ereignis am Ort des Zünders, denn dort ist nichts passiert! Wäre ein Photon dort gewesen, wäre die Bombe ja explodiert. Quantenmechanische Phänomene können nicht-lokal sein: sie können uns etwas über Raumgebiete sagen, von denen gar eine "Ursache" (im üblichen Sinn) ausgegangen ist. Wir wissen von der Existenz des Zünders, weil die Möglichkeitswelle unterbrochen war, d.h. weil das Photon die Bombe hätte treffen können (was es aber nicht getan hat). Eine pure Möglichkeit hatte also physikalische Konsequenzen! Damit ist die übliche Beziehung zwischen "Ursache" und "Wirkung" (also der Begriff der Kausalität) durcheinander geraten. Man kann es vielleicht so sehen, daß das System als Ganzes über die Existenz des Zünders "weiß". Information dieser Art bezteichnet man als Quanteninformation. (Experimente vom Bombentest-Typ heißen übrigens "wechselwirkingsfreie Messung". Entgegen einer weitverbreiteter Auffassung, die auf Werner Heisenberg zurückgeht, ist es möglich, Informationen aus einem System zu erhalten, ohne es zu beeinflussen).

Denkaufgabe: Wird eine große Zahl von Bomben auf diese Wiese untersucht, so wird etwa ein Viertel aller Bomben mit Zünder entdeckt, ohne zu explodieren. Wenn die Bomben, über die keine Aussage möglich ist (Klick in Detektor 2)  "recycelt", d.h. dem Test erneut zugeführt werden, und die verbleibenden unentschiedenen wieder getestet werden ect. ect. - wie groß ist schlußendlich die Ausbeute? (Antwort: ein Drittel. Die Problemstellung führt auf eine einfache geometrische Reihe).

Wenn übrigens nach erfolgter Aufdeckung der Existenz eines Zünders einfach die Schutzkappe entfernt wird, können die Bomben zu guter Letzt noch zu einem friedlichen Zweck verwendet werden: sie testen die Quantentheorie. Denn wenn unter der Schutzkappe einer solchen Bombe kein Zünder wäre, so wären unsere Annahmen über die Rolle der Welle als Maß für die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen falsch gewesen. Realistische Experimente werden nicht mit Bomben, sondern mit den (vergleichsweise unspektakulären) Photonen durchgeführt. Die Polarisation des Lichts, die wir bisher völlig außer acht gelassen haben, spielt in ihnen eine wichtige Rolle. (Photonen besitzen einen Eigendrehimpuls, den Spin, der in der Quantentheorie an die Stelle der Polarisation tritt). Derartige Experimente sind unter anderem von einer Forschungsgruppe um Anton Zeilinger an der Universität Innsbruck durchgeführt worden. In allen, auch reichlich ausgeklügelten Experimenten haben wir bisher immer eine Bestätigung der quantentheoretischen Grundannahmen erhalten.