,,Deine Spannung wird sich noch erhöhen. Denn die Grundlagenkrise in der Mathematik wird in den Schatten gestellt durch die bizarren Naturerscheinungen, die sich den Physikern um die letzte Jahrhundertwende offenbarten! Die Grundlagenkrise in der Physik war nicht nur theoretischer Natur. Die Physiker verstanden auch ihre Meßergebnisse nicht mehr!``

,,Wie bitte?``

,,Neben der Mechanik Newtons hatte sein Landsmann Maxwell 1862 eine Elektrodynamik entwickelt, die nicht mit Newtons Theorie vereinbar war.``

,,Wie soll ich denn das verstehen?``

,,Mit Elektrodynamik wird die Theorie der elektrischen und magnetischen Naturerscheinungen bezeichnet.``

,,Geht es dabei auch um die Ursache des Erdmagnetfeldes und um die Entstehung der Gewitter?``

,,Ja, auch darum. In Analogie zur Bewegung von Massen unter der Wirkung ihrer eigenen Gravitationskräfte behandelt die Elektrodynamik die Bewegung von Ladungen unter der Wirkung der von ihnen hervorgerufenen elektrischen und magnetischen Kräfte.``

,,Dann sind Ladungen und Massen ja reflexiv.``

,,Ja, so kannst Du das Wechselspiel der Ladungen und Massen miteinander auffassen. Dieses wechselweise aufeinander Einwirken der Teilchen, seien es Atome oder Planeten, wird allgemein Wechselwirkung genannt. Bei der durch Maxwell in genialer Weise vorgenommenen Vereinheitlichung der elektrischen und magnetischen Erscheinungen in der Elektrodynamik konnte er zeigen, daß es elektromagnetische Wellen geben müsse und daß alles Licht aus solchen Wellen bestehe!

,,Sagenhaft!``

,,Eine wahrhaft berauschende Entdeckung! 1888 konnte Heinrich Hertz erstmals experimentell nachweisen, daß die Eigenschaften des Lichtes mit den von ihm erzeugten elektromagnetischen Wellen übereinstimmten. Heute wissen wir, daß das elektromagnetische Spektrum von den Röntgenstrahlen über das Licht und die Wärmestrahlung bis hin zu den Fernseh- und Radiofrequenzen sowie dem Radar und den Mikrowellen reicht!``

,,Wenn ich an die Zeitverzögerung zwischen dem Sehen des Blitzes und dem Hören des Donners beim Gewitter denke, müssen sich die Lichtwellen aber sehr viel schneller als Schallwellen ausbreiten. Andererseits stimmten auch nicht die Lippenbewegungen und Laute der Nachrichtensprecherin überein.``

,,So ist es. Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus: 300000 km/s! Also rund eine Million Mal schneller als der Schall in Luft. Im Gegensatz zur instantanen, unendlich schnellen, Wirkungsausbreitung der Gravitationskräfte zwischen den Newton'schen Massen, breiten sich die elektromagnetischen Kräfte zwischen den Maxwell'schen Ladungen mit endlicher Lichtgeschwindigkeit aus. Zudem können die Massen kontinuierlich beliebige Größen annehmen, während die Ladungen nur als ganzzahlige Vielfache der Elementarladung auftreten. Wie sollen aber diskrete Ladungen mit kontinuierlichen Wellen vereinbart werden?

Da sich Licht auch im Vakuum ausbreitet, konnten Lichtwellen nicht einfach in Analogie zu den Schallwellen verstanden werden. Als Medium der Lichtwellen wurde auf den schon von Aristoteles als fünftes Element eingeführten Äther zurückgegriffen. In Experimenten ließ sich der Äther aber nicht nachweisen! So faszinierend die Elektrodynamik auch war, brachte sie die um Einheitlichkeit der Naturerklärung bemühten Physiker doch in ernste Schwierigkeiten.``

,,Das kann man wohl sagen ...``

,,Alberlt Einstein (1879-1955) konnte mit der Relativitätstheorie zwar die Ungereimtheiten der Maxwell'schen Elektrodynamik beseitigen und die Newton'sche Gravitationstheorie vollenden. Um die Vereinheitlichung von Gravitation und Elektromagnetismus hat er sich aber zeitlebens vergeblich bemüht. Das Problem ist bis heute ungelöst!

Zu den theoretischen Problemen gesellten sich noch eine Anzahl verblüffender experimenteller Entdeckungen, die lange unverstanden blieben und bewährten physikalischen Prinzipien zu widersprechen schienen. So entdeckte Balmer 1885 in dem von Atomen ausgesandten Licht regelmäßige Frequenzfolgen, die durch eine einfache Formel dargestellt werden konnten. Eine vorläufige Erklärung der Balmerformel erreichte erst 1913 Niels Bohr (1885-1962). Conrad Röntgen gelang es 1895 mit den nach ihm benannten Strahlen undurchsichtige Stoffe zu durchleuchten. Thompson identifizierte 1897 in den Kathodenstrahlen das Elektron als Träger der Elementarladung. Aus einem erhitzten Metalldraht, der Kathode, treten Elektronen aus, die im elektrischen Feld beschleunigt werden können. Dann heißen sie Kathodenstrahlen. 1896 entdeckte Becquerel, daß von Uransalzen eine Strahlung ausging, die nicht nur photographische Platten schwärzte, sondern auch Gase ionisierte, d.h. elektrisch leitend machte. Eine solche Radioaktivität wies Marie Curie 1898 an einem neuen Stoff nach, den sie Radium nannte.``

,,Endlich `mal `ne Frau in der Ahnenreihe der Naturforscher. Kannst Du mir mehr über sie sagen?``

,,Maria Sklodowska war 1867 in Warschau geboren worden. 1891 begann sie an der Sorbonne in Paris ihr Physikstudium. Nach ihrer Heirat Piere Curies kam 1897 ihre Tochter Irene zur Welt, die auch eine berühmte Physikerin wurde. Marie wählte die Untersuchung der Radioaktivität als Thema ihrer Doktorarbeit. 1906 wurde sie Professorin für Physik an der Sorbonne. Sie starb 1934 an den Spätfolgen der Radioaktivität.

Eine weitere herausragende Physikerin war Lise Meitner (1878-1968). Sie hatte in Wien studiert und kam nach Berlin, um bei Max Planck zu arbeiten. 1907 begann sie aber eine langjährige Zusammenarbeit mit Otto Hahn (1879-1968), die 1938 zur Entdeckung der Atomkernspaltung führte ...``

,,Dann haben Frauen ja in gleicher Weise an den Voraussetzungen der Atombombe gearbeitet wie Männer ...``

,,Die Folgen der Grundlagenforschung abzuschätzen ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Ich wünsche mir aber auch eine Alternative zur männerbestimmten Gegenwartskultur. Die Frauen eifern viel zu sehr den Männern nach. Der Sinn von Emanzipation ist es, sich aus ihrer Bevormundung zu befreien! Es gibt sogar schon Rennfahrerinnen und Boxerinnen. Die Unsinnigkeit dieser Sportarten ist doch offensichtlich.``

,,Mein Ziel wird es nicht sein, es den Männern gleichzutun. Mary Shelley gibt mir ein Beispiel, die Folgen männlichen Größenwahns auf ihre Konsequenzen hin zu bedenken.``

Im Anschluß an diesen Philosophiekurs könntest Du Deine Lebensperspektive aufzuschreiben versuchen.``

,,Ich werd's mir überlegen.``

,,Bevor ich mit der männlichen Entdeckungsgeschichte fortfahre, sind neben den Physikerinnen auch zwei Mathematikerinnen hervorzuheben. Die Russin Sonja Kowalewskaja (1850-1891) und die Deutsche Emmy Noether (1882-1935). Als Sonja 1870 nach Deutschland kam, wurden Frauen noch nicht an Universitäten zum Studium zugelassen. So nahm sie Privatuntericht bei Weierstraß in Berlin und setzte in Göttingen als erste Frau in Deutschland ihre Promotion in Mathematik durch. Später wurde sie Professorin in Stockholm.

Emmy Noether hatte es schon leichter. Sie konnte in ihrem Geburtsort Erlangen studieren und 1907 promovieren. Ab 1915 arbeitete sie in Göttingen bei David Hilbert (1862-1943), dem bedeutendsten Mathematiker dieses Jahrhunderts. 1922 wurde sie Professorin. Die Arbeitsgebiete der beiden Frauen wirst Du erst verstehen, wenn Du die Oberstufen-Mathematik hinter Dir hast.

Zurück zur Männergeschichte: 1899 stieß Max Planck bei der Untersuchung der Wärmestrahlung auf ein sogenanntes Wirkungsquantum, eine elementare Größe bei der Übertragung physikalischer Wirkungen. Damit waren nicht nur Ladungen, sondern auch Wirkungen lediglich diskret möglich. Wie sollte das mit der Elektrodynamik vereinbart werden? Planck war ratlos. Bei Strahlungsexperimenten mit der Radioaktivität entdeckte Rutherford 1911 den Atomkern. Er deutete seine Entdeckung in einem Planetenmodell des Atoms. Negativ geladene Elektronen umkreisen darin den positiv geladenen Kern wie die Planeten die Sonne. Im Gegensatz zur Gravitationstheorie konnte es ein solches Atom im Rahmen der Elektrodynamik aber nicht geben! Die fieberhafte Suche nach einer neuen Theorie begann ... ``

,,Die Radioaktivität und der Atomkern wären besser nicht entdeckt worden.``

,,Weil uns dann Atombomben und Kernkraftwerke erspart geblieben wären?``

,,Genau!``

,,So einfach ist das nicht. Das Verständnis all dieser Entdeckungen gelang in der später sogenannten Quantentheorie. Die begann aber mit der doch wohl harmlosen Untersuchung der Wärmestrahlung. Ohne Quantentheorie hätte es andererseits weder Computer noch Unterhaltungselektronik gegeben. Auch keinen CD-Player!``

,,Wie bitte?``

,,Aus der Quantentheorie ging die sogenannte Festkörperphysik hervor. Und ihren Untersuchungen entsprang die Entdeckung des Transistors! Aber auch moderne Diagnoseverfahren in der Medizin, wie Computer-, Kernspin- oder Positronen-Emissions-Tomographie sind Anwendungen der Quantentheorie. Ebenso die Laserchirurgie: Nichts ist praktischer als eine gute Theorie, pflegte ein Physikprofessor zu sagen.``

,,Das klingt paradox.``

,,Aber nur scheinbar. Die Anwendungen der Quantentheorie sind unerschöpflich. Sie erklärt nämlich auch die Vielfalt chemischer Verbindungen und die Entstehung von Leben. Chemie und Biologie sind damit zu Teilgebieten der Physik geworden.

Neben den phantastischen praktischen Erfolgen der Quantentheorie, sind es zudem ihre philosophischen Einsichten, die ihre Faszination ausmachen. Die schon erwähnten Physiker Bohr und Einstein haben zeitlebens über die philosophischen Konsequenzen der Quantentheorie gestritten. Einsteins letzte Bemerkung in dem Streit lautete:``

Über diese Rede des Kandidaten Jobses

Allgemeines Schütteln des Kopfes.

Alberto machte eine Pause. Sofie war eingeschlafen. Das war für eine unsterbliche Romanfigur höchst merkwürdig. Während er sich eine Ahnung davon bildete, was mit ihnen vorging, sah er Hilde mit ihrem Vater über den Laufsteg kommen, durch den Garten gehen und schließlich im Haus verschwinden. Sie wirkten abgeschlafft. Offenbar hatten sie lange in der Bucht zugebracht.