Die Zweite Heimat
DIE HOCHZEIT. Schnüßchen, 1964.
Eine Sylvesterfeier auf dem Lande. Schnüßchen im Schoß ihrer Familie.
Man sieht ihr an, daß sie ein Familienmensch ist. Wieder in München,
ihre Stimme aus dem OFF:
München, das war inzwischen meine Schicksalsstadt geworden. Ich hatte mir gesagt:
Im Mai, also im schönen Monat Mai, da muß sich das Schicklsal irgendwie
erfülle ...
Schnüßchen und Hermann haben sich bereit erklärt, bei einer Kollegin
Schnüßchens auf die schlafenden Kinder aufzupassen. Vor der Haustür
wird Hermann wieder grundsätzlich:
Ich muß meinen eigenen Weg gehen. So was wie Hunsrück, Mutter,
Elternhaus, das sind doch alles Zufälle. Oder kannst du mir erklären,
woher ich das haben soll, Musik zu machen? Weißt du, was ich mir oft
denke? Man muß sich noch einmal auf die Welt bringen, ganz aus sich
selbst heraus ... Fühlst du dich da nicht ganz fürchterlich einsam?
... Ach, Schnüßchen, irgendwie wirfst du mich um Jahre zurück.
Hermann und Schnüßchen in der Villa Cerphal. Hermann macht Faxen.
Er knabbert an Schnüßchens Füßen herum, er schmust mit
ihren Brüsten und wälzt sich auf dem Bett:
Hermann, in dir is ebbes, was ich nur ahn, aber net begreife. Du bist bei mir
ganz anders als bei deinen Freunden ... Dir kann ich eben nichts vormachen ...
Und wenn wir das wirklich machen? Was machen? Heiraten ...
Die Szene hält
den Atem an.
Ich habe oft darüber nachgedacht, was es bedeutet, einen
Gedanken auszusprechen. Ein ganz und gar unfaßbares, unwirkliches Gebilde!
Ausgesprochen aber verwandelt er sich in Realität.
In die Hochzeitsfeier mischen sich auch Kräche. Clarissa schenkt Hermann
und Schnüßchen einen Kasten mit zwölf Suppenlöffeln. Auf der
Widmung steht: VIEL GLÜCK BEIM AUSLÖFFELN DER SUPPE. Hermann sieht
Clarissa an und schweigt ...
Als sich im Garten ein Schuß löst, weil Juan sich umbringen wollte,
werden die Freunde schlagartig nüchtern. Ist dies wirklich das Ende ihrer
schönen Jahre im Fuchsbau? Sie gehen betreten umher. Dann setzen sie
sich auf die Terrassenstufen oder in das Gras. Der Morgen dämmert
bereits.
Die Ehe ist der Tod der Liebe, der Freundschaft, dachte
Sofie. Jetzt ziehen sie
ins Gefängnis ihrer Zweiereinsamkeit, wie deprimierend ...
DIE ZEIT DER VIELEN WORTE. Stefan, 1968/69