Ingo Tessmann
April 2004
Der im dritten Jahrtausend wieder anhebende Religionswahn gibt Anlass zu einer Rückbesinnung auf die Enstehungsbedingungen der Zivilisation. Der Islamismus könnte sich als die letzte Bastion des Patriarchats im Kampf gegen die menschliche Natur erweisen. Seit dem Urputsch der Männer im Neolithikum lassen sich mit dem Sesshaftwerden der Menschen die Kulturkämpfe bis in die gegenwärtige Auseinandersetzung zwischen westlicher Zivilisation und Islamo-Faschismus verfolgen. In Anknüpfung an das naturverbundene Weltverständnis aus dem Zusammenhang von Himmelsbeobachtung und Bodenbearbeitung, läßt sich im Rahmen der vereinheitlichten physikalischen Feldtheorie ein sozialer Humanismus erahnen, der zur Grundlage des postpatriarchalen Zusammenlebens aller Menschen auf der Erde werden könnte.
Ermöglicht durch den Klimawandel im Holozän begann mit der neolithischen Revolution ein Zivilisationsprozess, der in die Hochtechnologie des gegenwärtigen Industriezeitalters führte. Nach dem Zerfall der letzten mächtigen Kaiserreiche und Diktaturen in den großen Kriegen und System-Rivalitäten des vergangenen Jahrhunderts, bahnt sich ein weiterer weltumspannender Kulturkampf an zwischen Zivilisation und Islamismus. Im Fahrwasser dieses religiösen Fundamentalismus' zeichnet sich ein Wiedererstarken des Religionswahns ab. Der Kampf zwischen neuzeitlicher Aufklärung und mittelalterlicher Religion könnte die kommenden Jahrzehnte bestimmen und das Schicksal des Patriarchats besiegeln. Denn der Urputsch der Männer im Neolithikum artete in einen weltumspannenden Vernichtungsfeldzug aus, der in den großen Kriegen kulminierte. Mit der Überwindung des Islamismus dürfte die letzte Bastion der Männerherrschaft zerstört werden, die sich der Zivilisierung der Kulturen noch entgegenstellt, um das paradiesische Reich der Freiheit wiederzuerlangen, aus dem die matriarchalen Wildbeuter seinerzeit vertrieben wurden.
Die abrahamitischen Gehorsamsreligionen waren Ausdruck der sich an Landbesitz und Vaterrecht orientierenden Bauernkulturen. Der zur Allmacht erhobene Gottvater verlangte Unterordnung und Willfährigkeit von seinem ,,auserwählten`` Volk. Die dabei grenzenlose Selbstüberschätzung männlichen Größenwahns, sich die Erde untertan machen zu wollen, fand einzig in den Naturgewalten ihre Beschränkung. Erdgebundene Technik und experimentelle Naturwissenschaft unterminierten die blasierten Machtansprüche religiöser Geister. Wer die Natur beherrschen will, hat ihr zu gehorchen! Aus dem natürlichen Zusammenhang von Ackerbau und Himmelsbeobachtung entstand eine methodische Naturwissenschaft, die sich nicht mehr auf die religiöse Macht dogmatischen Glaubens und tradierter Rituale stützte, sondern auf der wissenschaftlichen Wahrheit mathematischer Logik und experimenteller Technik gründete.
Ausgehend von den Steinkreis-Anlagen auf Göbekli Tepe
und
Stonehenge
sowie anhand der Himmelsscheibe von Nebra
läßt sich ein vorreligiöses, naturverbundenes Weltbild vermuten, das in der neuzeitlichen
Wissenschaft aufging und gegenwärtig als Orientierung zur Zivilisierung der gesamten
Menschheit herangezogen werden sollte. Dabei wird es nicht nur um die Überwindung des
mittelalterlichen Islamismus gehen, sondern auch um die Fortsetzung der wissenschaftlichen
Aufklärung aller Menschen. Archaischer Aberglaube und esoterischer Schwachsinn grassieren
noch immer in der westlichen Zivilisation und sind im Zuge wirtschaftlicher Wechselfälle
und sozialer Notlagen weltweit im Aufwind.
Aus einer Rückbesinnung auf die gemeinsame Herkunft aller Menschen im Rahmen einer kultur-,
wenn nicht menschheitsinvarianten Kosmologie, die uns alle als
Kinder des Weltalls
ausweisen
und beheimaten könnte, geht es heute um die Perspektive eines sozialen Humanismus, der den
Prinzipien wissenschaftlicher Wahrheit und persönlicher Freiheit zu genügen hat: Erstrebe
das soziale Optimum zwischen dem Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen und der Ausgestaltung
der persönlichen Lebensmöglichkeiten der Menschen. Mit dieser rationalen Maxime, die allen
Menschen zur Orientierung dienen könnte, ließe sich der bereits beschrittene Weg in die
Weltgewaltordnung vielleicht noch umlenken.
Die Wiege der Zivilisation steht auf Göbekli Tepe, 11000 Jahre alten Steinkreis-Anlagen, die den Menschen der Jäger- und Sammlerzeit bereits als Kultstätten zur Verehrung der Naturgewalten gedient haben mögen. Erstmals traten die Menschen aus den urwüchsigen Naturkreisläufen heraus und kultivierten ein selbstbewußtes Verhältnis zur Natur, indem sie den Berg- und Wettergöttern Feste widmeten und Opfer darbrachten. Mit dem Sesshaftwerden der Menschen verloren sie zwar die Freiheit jagenden und sammelnden Umherschweifens, gewannen dafür aber die Muße zur Himmelsbeobachtung. So entdeckten sie die Regelmäßigkeiten und den Wandel im Lauf von Sonne, Mond und Sternen und erkannten die überlebensnotwendigen Zusammenhänge zwischen den Himmelskonstellationen und den rechten Zeiten zur Bodenbearbeitung.
Das vor über 5000 Jahren begonnene Steinkreis-Monument Stonehenge scheint der Darstellung des Zusammenhangs von Sonnen- und Mondlauf gedient zu haben. An der in seiner Hauptachse zum Punkt des Sonnenaufgangs zur Sommersonnenwende orientierten Tempels aus gewaltigen Steinkreisen wurde über 1000 Jahre lang immer wieder gebaut. Welch eine Leistung! Mit dem Übergang von den Erdgottheiten und Mondanbetungen der Wildbeuter über die Berggötter bis hin zu den Himmelsgöttern und Sonnenverehrungen der Bauern, vollzog sich ein tiefgreifender Wandel im Zusammenleben der Menschen. Vielleicht diente Stonehenge der Erinnerung daran, was die Menschen durch das Sesshaftwerden an Freiheit verloren, aber an Wahrheit gewonnen hatten; denn Mond- und Sonnenzyklen harmonierten im Einklang mit den jeweiligen Steinanordnungen, die nach dem geheimen Wissen der himmelsbeobachtenden Priester aufgestellt worden waren und das Volk immer wieder in Ehrfurcht und Staunen versetzten.
Den Zusammenhang zwischen Himmel und Erde veranschaulicht auch die kürzlich entdeckte
Himmelsscheibe von Nebra.
Sie ist rund 3600 Jahre alt und entstammt bereits der Bronzezeit. Neben Sternenplättchen,
einem Vollkreis und einer Sichel, markieren zwei gegenüberliegende Kreissegmente im Winkelauschnitt
von 82,5 Grad die Sonnenbahn zur Wintersonnenwende. Zwischen ihnen deutet ein weiteres Kreissegment
mit feinen, seitlichen Verzierungen die Sonnenbarke an auf ihrem längsten Weg in der Nacht
zwischen 21. und 22. Dezember. Die Sternenplättchen sind mit Ausnahme der Plejaden beliebig
über der Bronzescheibe verteilt. Der Zusammenhang zwischen der Stellung des Siebengestirns am
Himmel und den Zeiten für Aussaat und Ernte war den Bauern natürlich lange bekannt.
Die Züchtung von Nutzplanzen, ihre Aussaat und Ernte auf flach ausgebreiteten Erdböden,
begann auf den Feldern des fruchtbaren Halbmonds vor über 9000 Jahren, ganz in der Nähe von
Göbekli Tepe. Auch die mit Tiersymbolen verzierten Steine dienten zunächst noch den Kulten der
umherschweifenden Wildbeuter, die sich aber bereits im Übergang zum sesshaften Bauerntum befanden.
Diese Umbruchsituation in der Lebensweise unserer Vorfahren im Neolithikum scheint sich bis in das
6000 Jahre jüngere Stonehenge über ganz
Nord-West-Europa
verbreitet zu haben. Dabei wurden nicht
nur die Techniken der Bodenbearbeitung verbessert. Aus der Feldmesskunst ging auch die erste
Wissenschaft hervor, die Euklid
in seinen Elementen systematisch zusammenfasste nach dem Schema Definition, Satz, Beweis.
Bei den Römern standen die
,,Agrimensoren`` (Feldmesser) in so hohem Ansehen, dass ihre Arbeit auf den
Gründungsmythos rückprojiziert wurde. So berichtet Cicero, Romulus habe Rom nach den Regeln
der Feldmesskunst gegründet. Endeten die Felder in früheren Zeiten einfach an Waldrändern,
Flussläufen oder Landerhebungen, dominierten im Zuge der Besiedelung weiter Landstriche durch
die wachsende Bevölkerung, die Eigentumsgrenzen die Feldverteilung. Bei Euklid heißt
es noch: Eine Grenze ist das, worin etwas endet. Der mit Grenzstreitigkeiten befasste
römische Vermessungsbeamte Ballus dagegen definierte: Grenze ist das, bis wohin das
Eigentumsrecht reicht. Caesar hatte die erste Reichsvermessung angeordnet und Karl der Große
unterhielt eine Palastschule, in der auch die Feldmesskunde behandelt wurde. Der geniale
Mathematiker Karl Friedrich Gauss,
mit der Vermessung des Königreichs Hannover befasst, entwickelte eine innere Flächentheorie,
die von seinem Schüler Riemann
weiterentwickelt zur Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins
wurde. In der allgemeinen
Feldtheorie der Trägheit
endlich, fanden bäuerliche Feldmesskunst und hochtechnologische Feldtheorie wieder in einer
Kosmologie zusammen, deren ganzheitliche Gesamtschau bereits in den Steinkreis-Anlagen und der
Himmelscheibe ihren ahnungsvollen Ausdruck fand.
Der geschickte Handwerker und geniale Experimentator Faraday führte die Feldvorstellung in die Physik ein, um die ,,Fernwirkungen`` zwischen Magneten und Stromleitern zu verstehen. Die Kraftwirkungen zwischen elektrischen Ladungen und Magnetpolen erwuchsen für ihn aus den Feldlinien, an denen sich lose Eisenfeilspäne ausrichteten; eine Vorstellung, die der Ausrichtung des Pflanzenwachstums an den Saatfurchen sowie dem Gravitations- und Lichtfeld folgt. Nicht die Ladungen oder Pole waren für Faraday die eigentlichen Träger der physisch-deterministischen Wirkungen. Primär waren ihm die Kraftfelder, die nach dem Nahewirkungsprinzip auf elektrische Ladungen und Magnetpole wirkten. D.h. Ladungen und Pole waren einem kontinuierlich im Raum verteilten Kraftfeld ausgesetzt, das sogar im Vakuum existierte. Dem genialen Theoretiker Maxwell gelang es um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Faradays eher intuitive Vorstellungen von den Kraftfeldern im Raum in eine mathematische Feldtheorie der elektromagnetischen Erscheinungen zu verwandeln, in der auch das Licht als elektromagnetische Welle verständlich wurde.
Diesem Triumpf beim Verständnis der elektromagnetischen Wechselwirkungen widersetzte sich
allerdings die Gravitation als Wechselwirkung zwischen schweren Massen. Schwerkraft und Trägheit
waren ein noch zu weites Feld für die Physiker des 19. Jahrhunderts. Dem Naturphilosophen
Mach
gelang aber bereits ein erster visionärer Gedanke, in dem er die Trägheit auf das
Zusammenwirken aller Massen im Universum zurückzuführen versuchte. Eine mathematische
Ausgestaltung dieser Intuition ermöglichte dann die allgemeine Relativitätstheorie
Einsteins.
Neben dem später sogenannten Machschen Prinzip wirkte im 20. Jahrhundert auch seine
positivistische Naturphilosophie nach. Allein auf der Grundlage messbarer Größen sollten
physikalische Theorien in möglichst denkökonomischer Weise die experimentell zugänglichen
Naturvorgänge beschreiben. Für Mach stellten die Feldtheorien dabei keine physischen
Wirkungsgefüge mehr dar, sondern waren bloß noch als rein mathematischer Funktionszusammenhang
anzusehen. In seiner Analyse der Empfindungen dehnte er die Naturphilosophie aus seiner
Elementenlehre auch auf den Menschen aus. Bildeten die Weltelemente in ihrem mathematisch
beschreibbaren Funktionszusammenhang untereinander die Körper der objektiven Welt, entstanden aus
ihren Beziehungen zu einem ,,Ich`` die Empfindungen der subjektiven Welt. Dieser
positivistische Monismus brach sowohl mit dem klassischen Dualismus von ,,Geist``
und ,,Materie`` als auch mit der klassischen Metaphysik einer Trennung von
Erkenntnis und Sein. Besonders folgenreich wurde die Machsche Philosophie im logischen
Atomismus Russells,
in der speziellen Relativitätstheorie
Einsteins und in der
Quantenmechanik
Heisenbergs.
Neben dem Bemühen um ein Verständnis der Schwerkraft, zeitigte die Wende ins 20. Jahrhundert
ein weiteres Grundproblem physikalischer Forschung: die Existenz endlicher Wirkungsquanten,
die Planck
in der Wärmestrahlung schwarzer Körper nachgewiesen, aber nicht verstanden hatte. Waren die
elektromagnetischen Felder quantisiert und aus endlich vielen Wirkungseinheiten aufgebaut statt
kontinuierlich im Raum verteilt zu sein, wie Einstein 1905 kühn vermutete? Ähnlich wie die
Wissenschaftler sprengten auch die Künstler mit ihren Arbeiten den Rahmen klassischer Prinzipien.
Bereits van Gogh löste in der Sternennacht
seine Stimmung
in geschwungen wirbelnde Linien auf, die aus Farbtupfern als ihren Elementen oder Quanten
bestanden. Und seine in die Bilder weiter Feldlandschaften
hineingemalten Stimmungen vibrierten
gleichsam in den Farbtupfern der hingestreckten Felder
und drohend aufziehenden Wolken über
ihnen. Natürliche Kraftfelder und künstliche Pflanzenfelder überdeckten sich
in seinem Stimmungsfeld. Die läuternde Wirkung der Psychiatrie griff auch Döblin auf, wenn
er 1913 in seinem Berliner Programm forderte, man solle von der Psychiatrie lernen und sich auf
die Notierung von Abläufen und Bewegungen beschränken. Und Heisenberg ging es 1927 darum, den
Kampf der Meinungen über diskrete Teilchen- oder kontinuierliche Wellentheorien durch Beziehungen
zwischen experimentell ermittelten Zahlen zu ersetzen. In den bildenden Künsten, der Literatur
und Naturphilosophie brach sich in der Folge Machs und van Goghs ein experimenteller Realismus
bahn, der das gesamte 20. Jahrhundert prägen sollte. Döblins Berlin Alexanderplatz und
Heisenbergs Quantenmechanik waren dabei Ausdruck der gleichen kulturellen Umwälzung in den
Wirren der Weimarer Republik. Gleich einem Probekörper im sozialen Kraftfeld setzte Döblin seinen
Franz Bieberkopf Situationen aus, die demonstrieren sollten, dass man in schlechter Gesellschaft
nicht gut sein konnte. Und während Musil an seinem Mann ohne Eigenschaften schrieb, arbeitete
Heisenberg eine Quantentheorie aus, in der er das Elektron ohne Eigenschaften behandelte. Menschen
und Elementarteilchen loteten gleichermaßen soziale bzw. natürliche Möglichkeitsräume aus und
erhielten ihre Eigenschaften erst nach der Zustandsreduktion der vielen Möglichkeiten auf die
erfahrbare Wirklichkeit im Rahmen sozialer Wahrnehmung bzw. physikalischer Messung.
Unbeirrt durch die Umbrüche des dritten dreißigjährigen Krieges zwischen 1914 und 1945 hielten nur die Geistesheroen Albert Einstein und Thomas Mann an den klassischen Prinzipien in Physik und Literatur fest. Döblin fand einen Nachfolger in Günter Grass und Heisenbergs Quantenmechanik wurde durch Weinbergs Quantum Theory of Fields vollendet. Thomas Mann blieb ohne Nachfolger und Einsteins Vision einer vereinheitlichten, kontinuierlich-deterministischen Feldtheorie von Elektromagnetismus und Gravitation wird nur noch von Außenseitern weiter verfolgt. Sachs hat das weite Feld einer vereinheitlichten Theorie von Quantum Mechanics and Gravity im Rahmen einer Quarternionen-Darstellung der allgemeinen Relativitätstheorie versucht. Und aus Anlass der missglückten Wiedervereinigung Deutschlands hat Grass Ein weites Feld aus dem Sozialdrama Fontanes aufgegriffen.
Unter Ausnutzung der mit dem allgmeinen Relativitätsprinzip vereinbaren algebraischen und geometrischen
Struktur faktorisiert die verallgemeinerte Einsteinsche Feldgleichung in einen symmetrischen und einen
antisymmetrischen Teil, aus dem sowohl die Gravitations- als auch die elektromagnetischen Felder
gefolgert werden können. Eine solche irreduzible Darstellung der Einstein-Gruppe erfüllt eine
Quaternionen-Algebra mit Spinoren in gekrümmter Raumzeit als Basis-Funktionen. Dabei wird der
metrische Tensor durch ein Quaternionenfeld ersetzt, das neben dem Riemannschen Krümmungstensor
einen Spin-Krümmungstensor und neben dem affinen Zusammenhang einen Spin-affinen Zusammenhang zur
Folge hat. Im Rahmen der Quaternionen-Darstellung der allgemeinen Relativitätstheorie gelingt aus
einer Verallgemeinerung des Machschen Prinzips zudem die Formulierung einer allgemeinen Theorie
der Trägheit, aus der in linearer Näherung die Hilbertraum-Struktur der Quantenmechanik gefolgert
werden kann. D.h. die diskreten Teilchentheorien folgen aus der näherungsweisen Spezialisierung einer
kontinuierlich-holistischen Feldtheorie der Materie. Der Strukturreichtum der durch das
Quaternionenfeld dargestellten Clifford-Algebra erschließt dabei alle geometrischen Eigenschaften
physikalischer Größen, indem er neben der Stärke auch Richtung, Orientierung und Dimension der
Raumzeit-Materie berücksichtigt. Nach dieser visionären Kosmologie leben wir in einem
kontinuierlich-holistischen Materiefeld, das dem Nahewirkungsprinzip folgt und zugleich
das Geheimnis der instantanen Ereignis-Korrelationen zwischen verschränkten Quantenzuständen
lüftet.
Die im logischen Positivismus wie im herrschenden Recht abgesteckten Feldgrenzen wurden nicht nur
in der Physik, sondern auch in der Literatur überwunden. Bereits Fontane paraphrasierte die
Beschränkungen der gesellschaftlichen Denkhorizonte seiner Zeit mit der Floskel vom weiten Feld.
Die Gründe für das Scheitern des heiteren Naturkindes Effi Briest an der Prinzipientreue
und dem Ehrgefühl ihres Mannes im Dienste des preußischen Obrigkeitsstaates waren ihm noch ein
zu weites Feld. Gegen Demokraten helfen nur Soldaten, so der Wahlspruch der Preußenmilizen
im Kampf gegen die bürgerlichen 48er Revolutionäre. Heinrich Mann umschrieb dann in seinem Zola-Essay
die Politik als das leidenschaftlich bewegte Feld, auf dem das Leben der Völker ringt, und wo
Geschichte gesät wird für künftige Ernten von Wahrheit und Gerechtigkeit. Und Günter Grass beackerte
das weite Feld der demokratischen Weltanschauung in der Entwicklung vom Vormärz bis zu den
Montagsdemonstrationen, von den Schlachtfeldern der antizivilisatorischen Kriege bis zur friedlichen
Überwindung des Schussfeldes vor dem ehemaligen antikapitalistischen Schutzwall der DDR gegenüber
der BRD. Für den demokratischen Schriftsteller Grass ging die deutsche Staatseinheit stets auf Kosten
der persönlichen Freiheit. Und die Wahrheit ist ihm noch heute ein zu weites Feld. Erst nachdem
der Fontane-Wiedergänger Fonty mit seiner reizenden Enkelin Madeleine in die Pilze
gegangen war, vermochte er dem Feld ein Ende abzusehen, indem ihm am Horizont die Zukunft von der
Machtübernahme der Frau aufschien. Eine Perspektive, die im Grass'schen Werk mit der beiläufigen
Zeugung der Agnes auf dem kaschubischen Kartoffelacker begann und im Märchen vom sprechenden
Butt in die Geschichten von neun Köchinnen verwoben wurde, die mit paradiesischen Muttertagen
anhoben und an einem bestialischen Vatertag zu enden drohten, der in den Alptraum von einer
Rättin überleitete, die im Untergrund der Kaschubei den nuklearen Winter überlebt
hatte.
Die Widerstandsfähigkeit und das Reproduktionsverhalten der Rättinnen trotzte sogar dem nuklearen Winter; denn die Natur findet einen Weg, auch aus der größten Katastrophe für die Menschheit. Bereits diesseits des Erfahrungshorizontes unseres Universums mag es Milliarden belebter Planeten geben. Auf die an männlichem Größenwahn untergehende Menschheit hier auf der Erde kommt es nicht wesentlich an. Im Rahmen der kosmischen Evolution ist sie lediglich ein stochastischer Beitrag zur Ausgestaltung des Möglichkeitsraumes des sich selbst entwickelnden Materiefeldes. In anderer Zeit- und Größenskala ist die Dynamik im Wandel der Temperatur-, Druck- und Feuchtefelder in der erdnahen Atmosphäre ebenso chaotisch wie die Bewegungen im Sternenplasma und in den Galaxien-Wirbeln unter dem Einfluß ihrer inneren und äußeren Kraftfelder.
Ob der vielen Einflußfaktoren, die nicht alle berücksichtigt werden können, werden Pflanzen-
und Tierpopulationen ebenso wie menschliche Gesellschaften näherungsweise durch
stochastische Felder
beschrieben. Der Driftbewegung eines allgemeinen Trends sind dabei stets Zufallsschwankungen
überlagert, die sich aufschaukeln und zu einer neuen Entwicklungsrichtung führen können.
Kleine Anlässe, wie der Mord von Sarajewo oder die Ablehnung Hitlers an der Wiener Kunstakademie,
können Folgen im Ausmaß eines Weltkrieges haben. Robuste, sich selbst stabilisierende
Gesellschaftssysteme zu schaffen, ist angesichts des weltweit grassierenden Terrorismus das
Gebot der Stunde. Für die Politik erwächst daraus die Forderung, ganz so wie in der vereinheitlichten
physikalischen Feldtheorie, die Gesetze so zu formulieren, dass sie in nichtlinearer Weise
selbststabilisierend wirken. Insbesondere Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sind so aufeinander
abzustimmen, dass z.B. auch ohne Wirtschaftswachstum keine Verschuldungen und Verarmungen drohen.
Das funktioniert aber nur, wenn die einseitige Wachstumsideologie aufgegeben und die
Optimierung
in
erster Näherung als die beste Form von Veränderung angesehen wird. Durch einen veränderten
Lebensstil können Einkommensminderungen mit vermehrter Lebensqualität verbunden sein. Die
Autogesellschaft und der Massentourismus sind dabei zwei umweltzerstörende Ausprägungen der
Industriegesellschaft, die durch den Weg in die Informationsgesellschaft überwunden werden
könnten.
Böte eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus
den Ausweg? Der Warenaustausch
hätte sich nicht mehr an den verselbständigten Geldzirkulationen zu orientieren, sondern
müsste nach Maßgabe der Energiekreisläufe optimiert werden. Nur so könnte der Aufbruch der
Menschheit im Neolithikum in Einklang mit den globalen Naturkreisläufen fortgesetzt werden.
Bereits die Aufklärer des 18. Jahrhunderts machten sich Gedanken darüber, wie man durch eine
soziale Physik
die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern könnte. So wie z.B. Malthus darauf hinwies, dass
bei geometrischem Bevölkerungszuwachs in Verbindung mit nur linearer Nahrungsmittelvermehrung
immer wieder Hunger und Elend zu gewärtigen wären. Der technische Fortschritt in der Bodenbearbeitung,
Bewässerung, Kunstdüngung und Schädlingsbekämpfung hat den Nahrungsmittelzuwachs bisher an die
Bevölkerungsvermehrung anpassen können; in diesem Jahrhundert werden aber die Grenzen des
Wachstums erreicht werden. Naturkatastrophen, Epidemien, Terrorismus und Kriege werden zu
Verheerungen führen, die neben dem Rückgang des Bevölkerungszuwachses durch Geburtenkontrolle
und Wohlstandsvermehrung zu einer Sättigung bei rund zehn Milliarden Menschen auf der Erde zur
Mitte dieses Jahrhunderts beitragen werden. Schon heute leben fünf der sechs Milliarden Menschen
auf der Erde in Unterentwicklung. Um 2050 werden es über acht Milliarden sein. Eine weitere
Milliarde hochentwickelter Erdenbürger in den führenden Industriestaaten und Schwellenländern
wird den anthropogenen Klimawandel beschleunigen, der sich vor allem verheerend auf die
Entwicklungsländer auswirken wird. Hungersnöte und Verteilungskriege um die regional knappen
Ressourcen an Trinkwasser und Nahrungsmitteln werden die Folge sein. Darüber hinaus zeigt die
Bevölkerungsentwicklung in den islamisch geprägten Regionen der Erde schon heute, dass ein zu
hoher Anteil junger Männer unter den Einwohnern zu Bandenkriegen und Terrorismus führen. Sofern
den mehreren 100 Millionen jungen Männern in den Problemregionen keine Lebensperspektiven geboten
werden können und sie zudem weiter in ihrem pubertären Männlichkeitswahn und Machogehabe bestärkt
werden sollten, wird der 11. Sept. 2001 nur der Auftakt zu einem globalen Terrorismus-Zeitalter
gewesen sein, der als vierter dreißigjähriger Krieg in die Annalen der Historiker eingehen könnte.
Zur Veranschaulichung der demographischen Entwicklung weist Schirrmacher auf folgenden
Zusammenhang hin: In dem historischen Moment, da in den muslimischen Ländern der Anteil
der Jugend auf 20% steigt, haben die meisten europäischen Länder diesen Wert für die Alten
erreicht oder überschritten. Dass eine hohe Geburtenrate das biologische Programm von
Gesellschaften ist, die zu ihrer Erhaltung und Verbreitung Kriege führen, hat der Staatschef
Algeriens bereits 1974 der UN-Versammlung klar vor Augen geführt: Der Leib unserer Frauen wird
uns den Sieg bescheren. Der früheren Produktion von Kanonenfutter entspricht die Produktion
von Gotteskriegern ebenso wie Mein Kampf der Germano-Faschisten dem heiligen Krieg der
Islamo-Faschisten. Klimawandel und Terrorismus werden die paradiesischen Wohlstandsinseln der
entwickeltsten Industrienationen im Meer der Hungerleider, Hoffnungslosen und Armutsflüchtlinge
wegschmelzen lassen wie die Gletscher in den Hochgebirgen, auf Grönland und der Antarktis.
Nichts ist praktischer als eine gute Theorie! Neben der faszinierenden theoretischen Schönheit ist es der grandiose praktische Erfolg der physikalischen Feldtheorien, der heute bereits den GPS-kontrollierten Ackerbau ermöglicht. Der Zusammenhang zwischen Himmelsbeobachtung und Bodenbearbeitung ist inniger denn je. Steinkreis-Monumente und Himmelsscheiben vermögen dem modernen Menschen eine Einbettung in die Naturkreisläufe nicht mehr zu vermitteln. Was könnte nach dem Niedergang des letzten patriarchalen Himmelsgottes im gerade begonnene WAR AGAINST TERROR an ihre Stelle treten? Die Volksmassen brauchen Brot und Spiele, Rituale und Traditionen. Man denke nur an den Erfolg der Inszenierungen zu den Reichsparteitagen der heilserwartenden Germano-Faschisten oder an die Pilgerfahrten und Selbstkasteiungen der religionsverrückten Islamo-Faschisten.
Den Naturwissenschaftlern ist das Erleben der mathematischen Schönheit der Feldtheorien so fühlbar und lustbetont wie den Ingenieuren ihre praktische Wahrheit im technischen Funktionieren der vielfältigen Artefakte, die unser aller Alltagsleben bereichern und erleichtern. Welchem Künstler oder Wissenschaftler gelingt heute noch eine Gestaltung des Zusammenhangs zwischen Himmelsbeobachtung und Feldbestellung, zwischen Kosmos und Lebensalltag, wie es unseren Vorfahren mit den Steinkreis-Monumenten und Himmelsscheiben möglich war? Für C.F. v. Weizsäcker ist Kunst Wahrnehmung durch Gestaltung. Und nach G. Böhme schaffen gelungene Kunstwerke eine Atmosphäre zum Probefühlen, ähnlich wie Wissenschaftswerke Möglichkeitsräume zum Probehandeln eröffnen. Wie ließe sich die faszinierende Schönheit und Wahrheit der vereinheitlichten Feldtheorie der Materie in eine wahrnehmbare und fühlbare Gestalt bringen? Begnadete Schriftsteller vermögen ihr Fühlen in Gedanken zu kleiden und sie so kunstvoll auszudrücken, das dem Leser nicht nur ein Verstehen, sondern auch ein Nachfühlen ermöglicht. Das Glücksgefühl beim intellektuellen Genuss des Faust oder des Dr. Faustus, wie es Goethe und Thomas Mann zu erzeugen vermögen, stellt sich beim Lesen der Grundzüge der Relativitätstheorie Einsteins oder der Vereinheitlichung von Quantum Mechanics und Gravity des Mendel Sachs für den mathematisch ungebildeten Leser leider nicht ein. Goethe hat Mythen und Geschichten zu Poesie verfeinert, Thomas Mann Musik der Prosa anverwandelt. Könnte nicht ähnlich mit Technik und Mathematik verfahren werden? Oder ist die Reichweite der Experimentiertechnik und der Strukturreichtum der Mathematik schlichtweg zu gigantisch als dass sie durch Sprachkunst in Erleben verwandelbar wären? Die Sprache versagt ja schon bei der Darstellung unseres Gefühlsreichtums und unser Fühlen wiederum ist der endlosen Weite und Tiefe des Universums gegenüber hoffnungslos beschränkt. Bliebe als Ausweg nur die technische Simulation, eine auch allen Sinnen zugängliche virtuelle Realität? Dann entspräche den Steinkreis-Monumenten der Simulator zum Probefühlen der Natur- und Menschheitsgeschichte nach Maßgabe der vereinheitlichten Feldtheorie der Materie.
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